Plötzlich Royal
kannten. Es ist sehr schwer einzuschätzen, wie der königliche Haushalt auf die Enthüllung vorhin reagieren wird oder der konservativere Teil der Bevölkerung.“
„Viele Politiker in Europa wie beispielsweise der Regierende Bürgermeister von Berlin teilen die Veranlagung des jungen Offiziers“, versuchte der Moderator etwas verlegen auszubügeln.
„Lernen wir den jungen Mann doch erst einmal kennen. Wir alle sollten dabei eine sportliche, faire Einstellung haben“, wich Sir Wilfried erneut aus. Für seine Generation war die Unterstellung von Homosexualität eine schwere Beleidigung, erst recht, wenn man von der Nummer zwei der britischen Thronfolge sprach. So gesehen ging er wohl an die Grenze des für ihn Erträglichen.
Der Moderator wandte sich nun direkt an das Publikum und blickte in die Kamera: „Mit diesem Schlusswort, das wir uns alle gerne verinnerlichen, bedanke ich mich bei Sir Wilfried für seine Hilfe, nach einer überraschenden Wendung wieder Orientierung zu finden. Guten Abend, Britannien und in das Commonwealth“, verabschiedete er sich.
Ich schaltete ab. Simon wollte nun in die Küche gehen, um uns eine Kleinigkeit als Abendessen zurechtzumachen. Inzwischen checkte ich die Computer-Mailbox. Jede Menge Nummern und Namen waren da gelistet. Nachrichten, Zeitungen, alles Mögliche. Ich scrollte durch und blieb an dem Eintrag „BBC Hofberichterstattung“ hängen, eine halbe Stunde alt und man bat um Rückruf. Ich setzte das Headset auf und klickte auf „Nummer wählen“.
„BBC, Walter Downing?“
„Hier ist Sascha Philipp Burger, Sie baten um meinen Rückruf.“
Der andere Teilnehmer schwieg erst, dann erschien auf meinem Bildschirm eine Warnbox: „Teilnehmer möchte Videoverbindung.“ Ich klickte auf „Ja“.
Eine eher kleine, aber hektisch arbeitende Redaktion erschien. Ein Glatzkopf mittleren Alters blickte mir im Computerfenster entgegen. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen.
„Danke für Ihren Rückruf!“ Er wandte sich nach hinten: „Seid mal still, ich hab ihn in der Leitung, den Schweizer!“ Dann fuhr er fort: „Wären Sie zu einem kleinen Interview bereit? Sie könnten eines Tages unser König werden, sind Sie sich dessen bewusst?“
„So halb“, meinte ich kleinlaut.
„Reicht Ihr Englisch für ein Live-Interview?“
„Ich bin zweisprachig aufgewachsen.“
„Gut. Ihr Anruf kommt etwas überraschend. Wie sollen wir das machen?“, fragte er halb mich, halb sein Team.
„Wie wäre ein Interview zusammen mit Sir Wilfried? Der ist doch so britisch“, traute ich mir vorzuschlagen.
„Also ein paar Briten sind schon etwas jünger als er“, antwortete er beleidigt ironisch, „aber Sie haben recht, Sir Wilfried ist die Koryphäe für Royals.“
„Was sind Royals?“, fragte ich spitzbübisch.
Der Redaktor schaute mich mit großen Augen an.
„Kleiner Scherz!“, beruhigte ich ihn und spürte, wie meine Wangen rot anliefen. Ich erinnerte mich an meine Einweisung vor der Sendung Arena . Ich solle nie versuchen, mit Ironie witzig zu sein. Der Redaktor hatte wohl ernsthaft geglaubt, ich wüsste nicht, was Royals sind. Ich war wohl eben in das erste Fettnäpfchen getreten. Der BBC-Mann wollte, dass ich mindestens eine Krawatte trug, denn er würde meine Webcam direkt auf den Sender schalten. Etwas anderes als die graue Militärkrawatte fand ich in der Hektik nicht. Ich erhielt noch den Hinweis, ich solle BBC auf dem Fernseher einschalten, aber ohne Ton.
Es vergingen einige lange Minuten, während BBC Nachrichten sendete und ich nur eine Totale des Studios auf dem Computer sah. Der Moderator war nicht dort. Sir Wilfried las nochmals seine Notizen, es wurde ihm ein schnurloses Telefon gereicht, er redete kurz, während er nachgepudert wurde. Ich schaltete alle Lichter im Raum ein, damit ich nicht zu hart zu sehen sein würde. Das Warten machte mich nervös, besonders der Hinweis des Redakteurs, sie hätten eine hohe Quote. Im letzten Moment kam der Moderator von vorhin zurück und schon ging die Sendung weiter.
„Hier ist wieder die Royal-Expertenrunde. Sir Wilfried hat sich freundlicherweise bereit erklärt, uns bei einer kleinen Sensation zu begleiten. Der Viscount of Dover, mit bürgerlichem Namen Sascha Philipp Burger, könnte unser übernächster König werden und ist uns nun via Internet zugeschaltet. Guten Abend nach Zürich in der Schweiz. Als Erstes möchte ich Sie, Viscount, fragen, was Sie im Moment beim Gedanken an Seine
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