Plötzlich Royal
Kern.
Mann und Mann schliefen lange am Sonntag, und wir wurden erst durch den Partyservice geweckt, der aufzuräumen begann. Simon und ich waren wieder allein zu Hause. Meine Eltern waren bereits zu einem lange versprochenen Verwandtenbesuch aufgebrochen und würden danach nach China zurückfliegen. Wir hatten uns vorgenommen, zum Ausgleich der gestrigen Schlemmerei zu fasten. Wir lenkten uns mit Reisevorbereitungen ab. Schließlich stand der Besuch in London bevor. Die Partnerschaftsurkunde musste mitreisen und drei verschiedene Outfits: Maßanzug in dunklem Marineblau für festliche Momente, das „Hasselhoff-Outfit“ – also enge Jeans mit Lederjacke, Hemd und Krawatte – sowie unser Turnschuh-Röhrenjeans-Look. Für die Reise selbst würde es das zweite Outfit tun.
Das Alan-Turing-Hotel
Wir fuhren im Hasselhoff-Outfit mit der S-Bahn in der Früh nach Kloten raus. Am Flughafen war zum Glück keine Presse in Sicht, bis wir in den Linienflug BA8760 nach London City Airport einstiegen.
Leider hatte sich der Stachel im Fleisch der Royals, Jack Kern, den Platz neben mir in der Businessklasse reserviert. Nur der Mittelgang trennte uns. Ich vermutete, er hatte jemanden bei British Airways bestochen.
„Tag, ihr beiden, was denkt ihr? Werdet ihr mal unser Königspaar?“
„Ich werde nie König“, meinte ich in meiner realistischen Sicht, da ja die Gleichberechtigung in der Thronfolge wohl auch bald das britische Königshaus erreichen würde. Für Konservative bestand nun der Anreiz, mich mit der Reform verhindern zu können, und Labour würde sich der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern sicher nicht verschließen.
Doch bevor Jack Kern weiter mit indiskreten Fragen provozieren konnte, wurden wir unterbrochen. Die Stewardess reichte uns den Begrüßungschampagner.
„Wie James Bond zu sagen pflegte, sag niemals nie“, antwortete Jack, der Story-Pirat. „Ja ihr passt zusammen, derselbe Blick“, lachte er. „Wie plant ihr beiden den Sturm auf die Bastille des guten Benehmens?“
„Wir reisen einfach als frisch vermähltes und ewig verliebtes Paar nach London. Ich habe auch ein Doppelzimmer in einem Gayfriendly-Hotel gebucht. Sollten wir in den Palast eingeladen werden, würden wir annehmen“, antwortete ich.
„Ach nee, ihr wohnt nicht im Schuppen der Queen? Interessant!“
Der Start aus dem Nebel verlief problemlos, Jack Kern ließ sich gleich nach dem Erlöschen des „Fasten Seatbelts“-Zeichens die aktuelle Ausgabe der Daily World bringen, zusammen mit einer Tasse Tee.
„Young Royal Love“, titelte seine Zeitung vor dem Postkartenbild: Brautpaar, Nebelmeer, Alpen, blauer Himmel.
„Muss das sein?“, fragte ich.
„So weit kann sogar ich zählen: Du bist Nummer zwei und ein Segen für die Auflage.“
„Ach ja, die Royals gibt es ja nur zum Vergnügen der bunten Presse“, neckte ich.
„Genau. Du hast einen klugen Jungen geheiratet, Simon!“, versuchte Kern meinen Mann ins Spiel zu bringen. Doch der gab sich, wie so häufig, schweigsam.
„Was ist eigentlich mit deinen Eltern, Simon?“, versuchte es Kern nochmals.
„Mein Vater ist Schotte und Dozent an der Uni in Zürich, meine Mutter arbeitet Teilzeit auf dem Institutssekretariat. Sonst ist da nichts weiter. Sie wollen zum Thema Royals keine Interviews geben.“
„Ja, sie hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt“, musste Jack Kern zugeben und rieb sich in Erinnerung daran die Nase. Zugegebenermaßen stieg in mir eine gewisse Schadenfreude hoch.
„Berufsrisiko. Wie oft hast du schon so richtig heftig eins auf die Schnauze gekriegt?“, fragte ich.
„Kommt vor. Geht ihr auch an FKK-Strände?“, fragte der kleine Paparazzo, ohne rot zu werden.
„Machst nebenbei Gay-Pornos, oder was?“, konterte ich.
„Sascha, brav sein“, flüsterte Simon. Ich Lausbub wartete gespannt auf Jack Kerns Reaktion.
„Geht es vielleicht etwas leiser!“, grollte der Banker mit Laptop auf dem Fensterplatz neben Jack Kern. Die Beschwerde des Bankers brachte mich und den frechen Reporter zur Vernunft und wir zogen es vor, das Gespräch nicht weiter zu vertiefen.
Ich kicherte über den frechen Streich, obwohl die Stewardess das Gesicht verzog. Simon bekam zur Beruhigung einen Kuss.
Kern machte sich für die Online-Redaktion Notizen, was das Paar so in England plante. Es war wohl besser, sich nun keine derben Scherze mehr zu erlauben.
Simon und ich planten, ein paar Tage in London zu verbringen, ein bisschen in der Szene zu schnuppern,
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