Plötzlich Royal
Regenbogenpresse?“, fragte ich. Ich wusste nicht genau, ob mein Großvater die Anspielung auf meine sexuelle Orientierung kapiert hatte.
„Aus deiner Sicht mögen wir unmodern erscheinen, doch für das Königshaus gelten eben besondere moralische Maßstäbe. Wäre ein Besuch Montag in zwei Wochen möglich? Dann werden Ihre Majestät meine Mutter sowie ich selbst und wir alle hier in London bereits einen konkreten Vorschlag ausgearbeitet haben, wie wir mit der Situation umgehen. Wie kommst du mit deinem Studium voran?“
„Ich möchte den Master in Physik beginnen, den Bachelor habe ich diesen Sommer erfolgreich abgeschlossen“, antwortete ich höflich, doch ich wollte mich nicht auf Smalltalk einlassen. „Habe ich dein Wort, dass ich trotz gewisser privater Umstände von der Queen empfangen werde?“
„Ich gebe dir mein Wort als Prince of Wales, dass du zu einer Audienz eingeladen wirst. Ist es zumutbar, alleine mit einem Linienflug nach London zu reisen? Mein Büro übermittelt dir gerade eine Reservierungsnummer und Details per E-Mail. Der Ansprechpartner für die Details ist Sir Geoffrey. Als neue Nummer zwei in der Thronfolge ist es nun nicht mehr angebracht, von Mr Burger zu sprechen. Earl Amble, Earl Binnester, der Premier und ich sind mit Ihrer Majestät Einverständnis übereingekommen, dass du den Titel Viscount of Dover führen sollst. Über höhere Titel wird bis zur Audienz in zwei Wochen im Privy Council Ihrer Majestät sowie in 10 Downing Street entschieden. Eine entsprechende Pressemeldung wurde vor einer halben Stunde publiziert.“
Ich überlegte, ob ich das Thema Homosexualität direkt anschneiden sollte, doch mein Großvater schien nicht gut gelaunt zu sein. So bedankte ich mich nur für das Gespräch und den Titel und Großvater trennte die Verbindung. Danach schaltete ich den Fernseher ein. BBC sendete eine Dokumentation über die Lebensstationen der Prinzen William und Harry. Ich fragte mich währenddessen, ob ich nicht einfach verzichten sollte. Mittlerweile hatten sich die Briten an meinen Großvater sowie Charles und seine beiden Söhne gewöhnt und nun wurden ihnen von einem Tag auf den anderen meine Schwester und ich vor die Nase gesetzt. Das würde mir nicht viel Sympathie in Großbritannien einbringen.
Die Haustür wurde aufgeschlossen. Das musste Simon sein, der nach Hause kam. Ich rannte zur Tür. Da stand er, blond mit strahlenden blauen Augen. Noch bevor Simon etwas sagen konnte, umarmte und küsste ich meinen Freund. Jetzt war die Welt schön und die Windsors wieder weit weg. Er lachte, wir hätten uns doch nur vier Tage nicht gesehen. Das sei eine Ewigkeit, waren wir uns schließlich einig. Er wusste bereits von der Sache mit der Thronfolge und versicherte mir, das mit mir zusammen durchzustehen.
Aneinandergeschmiegt setzten wir uns vor den Fernseher, unsere Beine rüpelhaft auf das Tischchen unserer Polstergruppe gelegt. Bisher waren die Ereignisse in England für uns kein großes Thema gewesen. Wir fühlten uns als Schweizer. Aber nun hatte sich die Lage ja geändert und wir schauten, was BBC berichtete. Sie interviewten gerade Sir Wilfried. Der grauhaarige Herr erinnerte Simon an Sir Peter Ustinov.
„Sie haben sich seit drei Jahren für die nun Tatsache gewordene Korrektur der Thronfolgeliste eingesetzt. Erklären Sie bitte unseren Zuschauern die neue Erbfolge, Sir Wilfried?“, fragte der schwarz gekleidete BBC-Reporter.
„Nun ja, da nun der Zweig Seiner erstgeborenen Königlichen Hoheit Prinz George legitime Nachkommen aufweist, sind diese nach dem Gesetz vorzuziehen. So fallen leider die Nachkommen von Prince Charles zurück. Die Tochter von Prinz George bleibt ausgeschlossen, aber nur sie, nicht der ganze Zweig hinter ihr, wie Sir Geoffrey und seine Anhänger behaupteten.“
„Ohne die Schweizer beleidigen zu wollen: Hätte das Parlament nicht die Möglichkeit gehabt, sich für Prince William zu entscheiden? Er soll nach Prinz George unser übernächster König werden, unabhängig von der Interpretation des Act of Settlement.“
„Unser aller Sympathie gehört ganz gewiss Prince William. Doch Thronfolge ist keine Frage der Sympathie; wir sind ja keine Republik mit einem gewählten Präsidenten.“
„Es gab ja auch ganz andere Erwägungen, besonders bei den Schotten. Welche wären das?“
„Eine Beliebigkeit in der Anwendung des Act of Settlement ist in der Tat aus Staatsraison sehr heikel. Das Gesetz regelt ja auch die Vereinigung mit Schottland.
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