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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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niemand, der sich verlieben konnte. Und schon gar nicht in jemanden wie mich. Oder etwa doch? Weil ich die Einzige war, die ihm jahrelang einen Korb gegeben hatte? Ich zog meine Hand rasch weg. Axels Augen wirkten daraufhin für einen ganz kurzen Moment traurig. Mein Gott, er war doch nicht wirklich ...?
    Hastig blickte wieder nach vorn und sah, dass Prospero immer näher kam. Mein Herz klopfte schneller. Der Magier kam direkt auf uns zu. Als ob er meine Anwesenheit spürte. Er war nur noch zwei Reihen entfernt. Mein Atem stockte. Doch dann hielt er vor einem kleinen dicken Mann: «Kommen Sie bitte mit mir.»
    «Gott sei Dank», atmete ich durch.
    Prospero hörte das und sah mich mit durchdringendem Blick an. Dann ging er mit dem Mann runter in die Manege.
    Ich hatte nun überall am Körper Angstschweiß. Vor dem One-Night-Stand müsste ich sicherlich nochmal duschen.
    Axel wollte erneut meine Hand nehmen, doch diesmal zog ich sie schon weg, bevor er überhaupt in die Nähe kam, und rückte auch noch von ihm ab. Diese für ihn ungewohnte Ablehnung ließ ihn losplappern:«Rosa, ich weiß, du denkst, ich bin ein Aufreißer ... und dass ich mit dir nur mal so ins Bett will, aber ich will nicht mit dir ins Bett...»
    «Na, das ist ja sehr charmant», grinste ich.
    «Sorry, so habe ich das nicht gemeint... es ist nur, ich habe mich verändert... ich bin jetzt fünfunddreißig und ... ich suche jetzt etwas Festes im Leben...»
    Das war mal wieder typisch. Ausgerechnet jetzt, wo ich einmal in meinem Leben einen One-Night-Stand haben wollte, wurde der Don Juan für Grundschullehrerinnen erwachsen.
    Ich wollte dieses Gespräch nicht weiterführen und bedeutete Axel zu schweigen. Er nickte verunsichert, und wir blickten in die Manege. Dort gestand der rundliche Mann dem Magier, dass er ein schwaches Selbstbewusstsein besaß, und ich dachte nur: Willkommen im Club.
    Prospero erklärte pompös, dass er diesen schüchternen Mann in ein früheres Leben schicken und er dadurch das Potenzial seiner unsterblichen Seele entdecken würde. Dabei gestikulierte und tönte der Magier, als ob er die Klaus-Kinski-Schule für Knallchargieren besucht hätte. Prospero nahm ein großes goldenes Pendel, der dicke Mann blickte darauf und verfiel unter den Beschwörungen des Hypnotiseurs in Trance. Dann redete er plötzlich auf Englisch, mit einem breiten Akzent: «Where am I?»
    «What's your name?», stellte Prospero eine Gegenfrage.
    «William Cody», antwortete der dicke Mann.
    Axel raunte mir zu: «William Cody ... das ist Buffalo Bill, der Westernheld.»
    Der kleine dicke Mann stand auf, sprach plötzlich nicht nur eine andere Sprache, sondern er hinkte auch nicht mehr. Prospero forderte einen Assistenten auf, schnell die Waffen der Zirkus-Pistolenartistin zu holen. Der dicke Mann nahm die Colts in die Hand und richtete sie direkt ins Publikum. Wir alle befürchteten, Nebendarsteller in einem zünftigen Amoklauf zu werden, und duckten uns weg. Doch bevor es zu einer ausgewachsenen Panik kam, schritt Prospero ein und forderte Cody auf, Kunstschüsse vorzuführen. Dies tat er auch, und wie! Erst auf Zielscheiben, immer ins Schwarze. Gleich darauf schoss er brennende Kerzen aus, und im Finale ließ er einen Zirkuspapagei in die Lüfte fliegen. Der Vogel flatterte unter die Kuppel, und Cody feuerte dreimal auf das Tier. Das fiel aber nicht zu Boden, sondern flatterte panisch weiter. Stattdessen schwebten drei sauber abgeschossene Federn ganz langsam in die Manege runter.
    «Da staunt der Pistolero, und der Tierschützer wundert sich», scherzte Axel bemüht, doch ich hörte nicht hin, die Verwandlung des unsicheren dicken Mannes war einfach zu faszinierend und atemberaubend.
    Prospero brachte Cody wieder dazu, auf das Pendel zu sehen, worauf der zu seinem alten deutschen, hinkenden Selbst wurde. Mit einem kleinen Unterschied: Der Hypnotiseur fragte ihn: «Wie fühlen Sie sich jetzt?»
    Der Mann lächelte zufrieden: «Mutiger.»
    Das ganze Publikum begann zu applaudieren. Und ich mit.
    Das erste Mal in meinem Leben war ich neidisch auf einen Übergewichtigen.
     
    Als Axel und ich nach der Vorstellung aus dem Zelt traten, brauchten wir eine ganze Weile, bis wir wieder miteinander sprachen. Ich war mir nicht klar, ob ich den Abend mit ihm noch verlängern wollte. Axel spürte natürlich, dass ich reserviert war. Verunsichert fragte er, ob wir uns nicht demnächst nochmal verabreden wollten. Dieser Mann suchte tatsächlich eine Beziehung.

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