Ploetzlich verliebt

jeder musste schön auf seiner Seite bleiben. Und da waren wir dann und taten so, als ob wir die jeweils andere nicht sehen könnten.
    Wenn ich daran dachte, wurde mir immer noch ganz schlecht – ich meine, was wäre gewesen, wenn Luna nie wieder mit mir geredet hätte, wenn unsere Freundschaft für immer draufgegangen wäre? Oh Mann.
    Zum Glück haben wir im letzten Moment noch die Kurve gekriegt. Das wäre der absolute Horror gewesen – noch horrormäßiger als Luna, wie sie beim In-die-Zukunft-Schauen die Augen verdreht.
    Â»Suse, du bist dran.«
    Â»Okay, lies die erste Frage noch mal vor.«
    Marli wirbelte auf ihrem Drehstuhl herum, sie hatte sich mit Kajal einen Schnurrbart gemalt und imitierte Oberlippenbürstes quakende Stimme. »Nenn die Klimazonen der Erde.«
    Ich wusste die Antworten auch ohne Spicken in die Zukunft. »Kalte Zone, gemäßigte Zone, Subtropen und Tropen«, ratterte ich, ohne nachzudenken, herunter. Marli schrieb für Luna und sich selbst mit.
    Â»In welcher Klimazone leben wir?«
    Â»Europa liegt in der gemäßigten Zone«, sagte ich.
    Â»Hätte ich auch gewusst«, behauptete Luna, während sie in die Knie ging. Wir hatten uns angewöhnt, nach dem Ringzauber immer ein paar Kniebeugen zu machen, um wieder ein Gefühl für das Hier und Jetzt zu bekommen.
    Â»Und der tropische Regenwald?«, fragte Marli.
    Â»In den Tropen, Witzbold.«
    Â»Babyleicht!«, rief Luna, beendete die Kniebeugen und warf sich rücklings in Marlis Sitzsack. Ich setzte mich aufs Bett, über dem die amerikanische Flagge hing. »Da hätte ich mir die ganze Zukunftsguckerei ja echt sparen können.«
    Ich wandte mich zu Luna um. »Willst du mich vielleicht verarschen?« Denn seien wir ehrlich: Ich liebe Luna bis zum Mond und zurück (war ja schließlich ihr Namensgeber, also der Mond), aber sie ist in der Schule wirklich nicht gerade eine Leuchte. Nicht weil sie es nicht draufhätte, aber ihr gehen ständig irgendwelche anderen Dinge durch den Kopf. Raptexte überwiegend. Und seit einiger Zeit eben Tom, das Superhirn-Karamellbonbon.
    Â»Beschreib den natürlichen Treibhauseffekt«, fuhr Marli ungerührt fort.
    Ich sah Luna mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
    Â»Was ist?«, fragte sie irritiert.
    Â»Wenn es so babyleicht ist, bitte. Du bist dran.«
    Luna murmelte etwas Unverständliches.
    Â»Ich hör dich nicht«, sagte ich.
    Ihre Lippen bewegten sich weiter.
    Â»Ich kann dich immer noch nicht hören!«
    Luna setzte sich auf, schloss kurz die Augen und begann, mit dem Kopf zu wackeln. »Jo, jo, jo …«, sang sie dann los, streckte beide Arme vor, knickte die Handgelenke ab und machte mit Zeige- und Mittelfinger ein umgedrehtes V.
    Â»Ich sing dir was vom Treibhauseffekt,
den find ich so gesehen voll korrekt,
vor allem, wenn er ganz natürlich is’,
wenn nicht gibt’s ’n Problem an der Arktis.«
    Sie stülpte die Unter- über die Oberlippe, stopfte die Hände in die Bauchtasche ihres grünen Sweatshirts und zuckte mit den Schultern. »Okay, war jetzt nicht gerade eine Spitzenleistung.«
    Fand ich schon, immerhin hatte sie diesen Reim, ohne groß nachzudenken, aus dem Ärmel geschüttelt. Ich grinste sie an, dann diktierte ich Marli alles, was ich über den Strahlungshaushalt der Erde, Ozon, Kohlendioxid und so weiter und so fort wusste. Überraschend viel.
    Als wir die Ringe neu hatten, habe ich mich häufig kurz vor Klassenarbeiten noch mal in die letzten Schulstunden gebeamt und mir den ganzen Stoff ein zweites Mal angehört. Vorbereitung ist schließlich alles. Aber jetzt mache ich das nicht mehr. Mir wird nämlich immer ganz schön schwindelig und auch ein bisschen übel, wenn ich in die Vergangenheit sehe. Und gebracht hat es mir eh nie besonders viel, weil ich feststellte, dass ich mich an den Unterrichtsstoff noch haarklein erinnern konnte.
    Außerdem ist eine Stunde Oberlippenbürste-Unterricht sowieso schon mal grob langweilig. Und ausgerechnet seine Schulstunde noch einmal zu erleben, nur um danach eine halbe Stunde lang oder so Schwindelgefühle zu haben, also das ist so ziemlich das Doofste, was man tun kann.
    Â»Okay«, sagte Marli schließlich. »Hab ich. Die Datei maile ich jetzt an dich, Luna, zum Auswendiglernen.« Dann sah sie mich an. »Du kennst die Antworten ja sowieso.«
    Die beiden rieben