Poirot Rechnet ab
Rolf.«
»Rolf?«
»Natürlich. Die Drohbriefe, der Chinese, der Artikel in der Klatschspalte, das alles ist dem einfallsreichen Hirn von Mr Rolf entsprungen. Die Diamanten, die so wunderbar ähnlich sein sollen – bah – sie existieren nicht! Es existiert nur ein Diamant, mein Freund! Ursprünglich in der Yardly-Sammlung, ist er seit drei Jahren im Besitz von Mr Rolf. Er stahl ihn heute Morgen selbst, mithilfe von einem bisschen Schminke in den Augenwinkeln. Wir müssen uns mal wieder einen Film von ihm ansehen. Er ist wirklich ein Künstler!«
»Aber warum sollte er seinen eigenen Diamanten stehlen?«, fragte ich verdattert.
»Aus vielen Gründen. Zuallererst, weil Lady Yardly ungeduldig wurde.«
»Lady Yardly?«
»Ich will es Ihnen erklären. In Kalifornien war sie viel allein. Ihr Gatte hat sich anderweitig amüsiert. Mr Rolf, gut aussehend, ein bisschen von Romantik umgeben, im Grunde aber sehr geschäftstüchtig, umwarb Lady Yardly, und dann erpresste er sie. Ich habe es ihr neulich auf den Kopf zugesagt, und sie stritt es nicht ab. Sie schwor, dass sie nur ein wenig verliebt gewesen sei, aber niemals die letzten Grenzen überschritten hätte – na ja. Aber Rolf hatte jedenfalls Briefe von ihr, die eine andere Deutung zuließen. Zu Tode erschrocken durch die Drohung einer Scheidung und die Vorstellung, von ihren Kindern getrennt zu werden, willigte sie in alles, was er von ihr verlangte, ein. Sie hatte kein eigenes Geld und war deshalb gezwungen zu gestatten, dass er den echten Diamanten durch eine Imitation ersetzen ließ. Mir fiel sofort auf, dass der Western Star gerade zu dem Zeitpunkt auftauchte, als die Familie Yardly in Kalifornien weilte. Alles ging gut. Aber Lord Yardly wollte aus den Schulden wieder heraus. Deshalb erwog er, den Diamanten zu verkaufen. Dabei musste der Austausch der Steine natürlich entdeckt werden. Sie schrieb verzweifelt an Gregory Rolf, der gerade in England angekommen war. Er beruhigte sie und versprach, alles zu regeln – und bereitete einen doppelten Diebstahl vor. Gelang es ihm, Lady Yardly zu beruhigen, die sonst alles ihrem Mann hätte beichten müssen – eine Aussicht, die unserem Erpresser überhaupt nicht gefiel –, so konnte er außerdem fünfzigtausend Pfund von der Versicherung einstecken (aha, sehen Sie, das haben Sie ganz vergessen) und obendrein noch den Diamanten behalten. Nun schaltete ich mich ein. Die Ankunft eines Diamantexperten wurde angekündigt. Lady Yardly – dessen war ich sicher – würde sofort einen Raubüberfall inszenieren; sie machte das sogar ausgezeichnet. Aber Hercule Poirot ließ sich nicht bluffen! Was passierte wirklich: Die Lady drehte das Licht aus, knallte die Tür zu, warf das Kollier in den Flur und schrie aus Leibeskräften. Den Stein hatte sie vorher schon mit einer Zange herausgebrochen.«
»Aber sie hatte das Kollier doch um den Hals!«, widersprach ich.
»Ich bitte um Verzeihung, mon ami. Lady Yardlys Hand lag sehr geschickt auf der Stelle, wo eigentlich der Diamant sein sollte. Als Rolf von dem Raubüberfall las, inszenierte er seine eigene Komödie. Auch er spielte sie großartig!«
»Worüber haben Sie sich mit ihm unterhalten?«, fragte ich neugierig.
»Ich sagte ihm, Lady Yardly hätte ihrem Mann alles gestanden, und ich sei ermächtigt, den Stein an mich zu nehmen. Wenn er ihn nicht sofort mir übergäbe, würde ich die Angelegenheit dem Gericht überlassen. Ich fügte noch ein paar kleine Lügen hinzu – was mir eben gerade einfiel. Er war Wachs in meiner Hand.«
»Ist es nicht etwas unfair Mary Marvell gegenüber? Sie hat den Diamanten ohne Verschulden verloren.«
»Bah!«, sagte Poirot brutal. »Das ist die beste Reklame für sie – und darauf legt sie großen Wert. Bei Lady Yardly ist das anders. Sie ist eine Dame und eine gute Mutter.«
»Ja«, sagte ich ein bisschen zweifelnd. Ich teilte Poirots Meinung über die Dame nicht. »Ich nehme an, Rolf hat ihr die Briefe geschickt?«
»Nein«, sagte Poirot brüsk. »Lady Yardly kam auf den Rat von Mary Cavendish zu mir, um mich in ihrem Dilemma um Rat zu bitten. Dann hörte sie, dass Mary Marvell, die keine freundlichen Gefühle für sie hegt, hier bei mir gewesen ist, und änderte ihren Entschluss. Sie nahm die Chance wahr, die Sie ihr boten, mon ami. Ein paar Antworten, die Sie mir auf meine Fragen gaben, genügten mir, um zu wissen, dass Sie ihr – und nicht umgekehrt – von den Briefen erzählt hatten. Sie nahm sofort die Chance wahr, die Ihre Worte
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