Poirot Rechnet ab
Dr. Hawker, ein Arzt, der in unserer Nachbarschaft wohnte. Er war ein großer Bewunderer von Poirots genialen Fähigkeiten, und er steckte gelegentlich abends seine Nase durch unsere Tür.
Eines Abends, es war Anfang Juni, kam er gegen halb neun zu uns, und bald diskutierten wir über ein reizendes Thema: Arsen, das von den meisten Giftmördern bevorzugte Gift. Etwa eine Viertelstunde später wurde die Tür unseres Zimmers heftig aufgerissen und ein völlig verstörtes weibliches Wesen stürzte herein.
»Oh, Doktor, es ist ganz dringend! Eine schreckliche Stimme! Ich bin ganz außer mir!«
Es war die Haushälterin von Dr. Hawker, Miss Rider. Der Arzt war Junggeselle und lebte ein paar Straßen weiter in einem düsteren alten Haus. Die sonst so ruhige Miss Rider schien völlig aufgelöst.
»Was für eine schreckliche Stimme? Wer ist es und was ist los?«
»Am Telefon, Doktor. Ich nahm den Hörer ab, und eine Stimme rief ›Hilfe! Doktor, Hilfe! Man hat mich umgebracht!‹ Dann wurde die Stimme ganz leise. ›Wer ist dort?‹, fragte ich. ›Wer spricht dort?‹ Ich hörte nur noch ein Flüstern ›Foscatini‹ – so etwas Ähnliches – ›Regent’s Court‹.«
Der Doktor rief erstaunt: »Graf Foscatini! Er wohnt im Regent’s Court. Da muss ich sofort hingehen. Was kann denn nur passiert sein?«
»Ein Patient von Ihnen?«, fragte Poirot.
»Er erkrankte vor ein paar Wochen leicht, und ich habe ihn behandelt. Er ist Italiener, spricht aber perfekt Englisch. Also – ich muss mich verabschieden – wenn nicht…« Er zögerte.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen«, sagte Poirot lächelnd. »Ich werde Sie gerne begleiten. Hastings, bitte holen Sie uns ein Taxi.«
Meistens dauert es ziemlich lange, bis man ein Taxi findet – besonders wenn es eilt, aber schließlich fand ich doch eines, und wir setzten uns in Richtung Regent’s Court in Bewegung. Regent’s Court war ein neuer Wohnblock, nahe bei der St. Johns Wood Road. Das Haus war erst kürzlich gebaut und mit den neuesten Errungenschaften der Wohnkultur ausgestattet worden. Es war niemand in der Halle. Der Doktor drückte ungeduldig auf den Liftknopf, und als der Lift kam, fragte er den uniformierten Fahrer streng:
»Appartement elf. Graf Foscatini. Dort gab es einen Unfall, wie ich gehört habe.«
Der Mann starrte ihn an.
»Das ist das Erste, was ich höre, Mister Graves – der Diener von Graf Foscatini – ist vor einer halben Stunde ausgegangen und hat nichts gesagt.«
»Ist der Graf allein in seiner Wohnung?«
»Nein, Sir, es sind zwei Herren zum Essen da.«
»Wie sehen die denn aus?«, fragte ich eifrig.
Wir waren jetzt im Lift und fuhren schnell zum zweiten Stock hinauf.
»Ich habe sie selbst nicht gesehen, Sir. Aber Mr Graves sagte, es seien Ausländer.«
Er zog die eiserne Gittertür zurück, und wir traten auf den Flur hinaus. Nummer elf lag uns genau gegenüber. Der Arzt läutete. Wir hörten es klingeln, aber niemand öffnete. Mr Hawker läutete mehrmals hintereinander – nichts.
»Das ist bedenklich«, murmelte der Arzt. Er wandte sich an den Fahrstuhlführer.
»Gibt es einen zweiten Schlüssel für diese Tür?«
»Ja, unten im Büro des Portiers.«
»Bitte holen Sie ihn und – hören Sie – am besten benachrichtigen Sie auch die Polizei.«
Poirot machte eine zustimmende Bewegung.
Der Mann kam gleich wieder zurück. Mit ihm kam der Hausverwalter.
»Würden Sie mir bitte sagen, meine Herren, was das bedeuten soll?«, erkundigte er sich.
»Aber selbstverständlich. Ich erhielt einen Telefonanruf von Graf Foscatini – er sei überfallen worden und liege im Sterben. Sie werden verstehen, dass wir keine Zeit verlieren dürfen – wenn wir nicht schon zu spät kommen.«
Der Hausverwalter schloss auf, und wir gingen in die Wohnung.
Wir kamen zuerst in einen schmalen Flur. Rechts stand eine Tür halb offen. Der Verwalter sagte mit einem kurzen Nicken: »Das Esszimmer.«
Dr. Hawker ging voran. Der runde Tisch in der Mitte des Zimmers war noch nicht abgedeckt; drei Stühle waren zurückgeschoben; es sah aus, als ob die Herren gerade aufgestanden wären. In der Ecke, rechts vom Kamin, stand ein großer Schreibtisch. Hinter ihm saß ein Mann – tot. Seine rechte Hand hatte den Telefonhörer umklammert. Er war von einem fürchterlichen Schlag auf den Hinterkopf getroffen worden und nach vorn gefallen. Die Waffe brauchte man nicht zu suchen. Eine Marmorstatue stand da, ihr Fuß war blutverschmiert. Die Untersuchung der Leiche nahm
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