Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
schwärmte davon, als wär’s das Paradies. Das war ihr einziger Fehler.«
    »Ich habe unter ihren Sachen eine Jacke mit einem Saum voller Edelsteine gefunden.«
    »Ja, glitzernde Juwelen, die haben ihr auch gefallen.« Karp nickte. »Ich habe beobachtet, wie sie sich die Polar Star eroberte. Soviel ich auch bot, mit Geld konnte ich sie nicht aufs Schiff bringen. Aber dann haben wir Slawa gefunden, und mit Martschuk wurde Sina leicht fertig. Als wir dann auf See waren, schlief sie sich von den Offizieren zur Mannschaft durch. Wenn Sina gewollt hätte, dann hätte sie auch Sie gekriegt, Renko.«
    »In gewisser Weise hat sie das auch.« Arkadi dachte an die Tonbänder.
    Nach dem Kompaß marschierten sie in direkter Richtung auf die Polar Star zu. Doch im Nebel hatte es den Anschein, als kämen sie keinen Meter voran. Schritt für Schritt behielten sie denselben grauen Vorhang um sich, als träten sie beständig nur auf der Stelle. Die Schmerzen in Arkadis Brust strahlten langsam auf seinen ganzen Körper aus. Heil dir, Tabak, du Sedativ der Armen, dachte er. Vielleicht würde Morgan ja wirklich melden, daß zwei Mann auf dem Rückweg zur Polar Star waren, aber wer konnte beweisen, daß einer von beiden sich nicht verirrt hatte, von einem Bären angefallen worden war oder im weichen Eis eingebrochen und für immer vom glitzernden Antlitz der Erde verschwunden war?
    »Ridley haben Sie kennengelernt, als er die zwei Wochen auf Ihrem Schiff Dienst tat, nicht wahr?« fragte Arkadi.
    »Ja. In der zweiten Woche sagte er zu mir: >Religion ist Opium fürs Volk.< Auf russisch. Und dann setzte er noch hinzu: >Und Kokain ist das Geschäft des Volkes.< Ich wußte sofort Bescheid. Als ich nach Wladiwostok zurückkam, habe ich Sina von dieser phantastischen Verbindung erzählt, und ich sagte, es wäre ein Jammer, daß wir sie nicht an Bord bringen könnten. Aber sie fand einen Weg. Schicksal - was ist das eigentlich? Ein Vogel fliegt aus seinem Nest irgendwo in Afrika bis zu einem bestimmten Baum in Moskau. Jeden Winter dasselbe Nest, jeden Sommer derselbe Baum. Hat es was mit Magnetismus zu tun? Orientieren die Vögel sich an der Sonne? Oder nehmen Sie die Aale - die laichen alle in der Sargassosee, und dann machen die Jungen sich auf zu dem ihnen vorbestimmten Fluß. Manchmal sind sie jahrelang unterwegs, aber sie finden hin. Sina ist in Georgien geboren; was führte sie nach Sibirien, was aufs Meer?«
    »Die gleichen Dinge«, versetzte Arkadi nachdenklich, »die uns zusammengebracht haben.«
    »Und die wären?«
    »Mord, Geld, Gier.«
    »Das ist längst nicht alles. Leute wie Sina und ich, die sind ständig auf der Suche nach einem Ort, wo sie frei atmen können. So frei wie jetzt, in diesem Augenblick, werden wir beide nie wieder sein, Renko. Morgan wird wegen Ridley keine Meldung machen, er war ja selbst bereit, ihn umzubringen. Ich habe mein Schmuggelgut versenkt. Folglich kann man mir überhaupt nichts anhängen.«
    »Und was ist mit Wolowoi? Wenn die in Wladiwostok seine durchschnittene Kehle sehen, wird man erneut Fragen stellen.«
    »Scheiße, ja! Da sehen Sie’s - selbst wenn ich wollte, ich kann’s mir gar nicht leisten, anständig zu werden.«
    »Das Leben ist hart.«
    Karp schmeichelte seiner Kippe noch einen letzten Zug ab.
    »Vorschriften!« sagte er verächtlich. »Es ist wie mit der blauen Linie an der Wand in der Schule, ‘n blauer Strich an einer weißgetünchten Wand. In jedem Klassenzimmer, auf jedem Gang, in jeder Schule. Anfangs ist er in Schulterhöhe, dann wächst man, und der Strich rutscht runter bis zum Gürtel, aber er bleibt immer da. Ich meine, er scheint sich durchs ganze Land zu ziehen. Im Arbeitslager - die gleiche Linie. Im Büro der Volksmiliz - wieder dieser blaue Strich. Wissen Sie, wo er aufhört? Ich glaube, irgendwo bei Irkutsk.«
    »Für mich endet er in Norilsk.«
    »Egal. Jedenfalls, weit, weit draußen im Osten, da gibt’s ihn nicht mehr. Vielleicht ist ihnen die Farbe ausgegangen. Vielleicht kann man aber auch Sibirien nicht anstreichen. Soll ich Ihnen sagen, was mir am meisten zusetzt? Daß Sina mit diesem Ridley geschlafen hat. Sie besorgte sich von jedem, mit dem sie ins Bett ging, eine Spielkarte, eine Herzdame, als Trophäe. Haben Sie sich die Karten auf Ridleys Koje genau angesehen? Die Herzdame fehlte. Da wußte ich, daß sie wirklich auf der Eagle war.«
    Arkadi reichte Karp eine Karte mit einer stilisierten Dame in einem mit Herzen bestickten Umhang. »Die hab ich

Weitere Kostenlose Bücher