Polarfieber (German Edition)
gut wie er. „ Komm rein. “ Sie wartete, bis er durch die Tür getr e ten war, dann schloss sie sie hinter ihm. Sie beobachtete, wie Silas sich kurz im Zimmer umblickte, bevor er das Tablett auf dem kle i nen Sekretär abstellte, der vor dem Fenster stand. Durch das Glas fiel das kalte Licht von Neonröhren. Irgendwo auf der anderen Str a ßenseite flackerte eine Werbeanzeige für Whalewa t ching in nervösen Intervallen. Bis die nächste Saison anfing, wü r de man sie bestimmt reparieren.
„ Nun dann. “ Silas fuhr sich mit der Hand durch die Haare, trat von einem Bein auf das andere. Er hatte das schon einmal getan. Am ersten Tag, als sie sich kennengelernt hatten. „ Gute Nacht. Ich … vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Wer weiß, wenn Claus mal wieder Apfelsinen braucht oder ein Filmteam nach Qaanaaq kommt. “
„ Du wirst wieder fliegen? “ Ihre Augen wurden groß.
„ Ja , natürlich, irgendwann. “
„ Irgendwann? “
„ Kaya, hör zu. “ Als ertrüge er es nicht, weiter stillzustehen, wä h rend er mit ihr sprach, begann er im Zimmer auf und ab zu gehen. Vom Tisch zum Bett. Drei Schritte in die eine Richtung, dann in die andere. „ Es ist nicht so leicht. Es wird ein Verfahren gegen mich geben. Menschliches Versagen ist die häufigste Urs a che bei derlei Unfällen. Bevor ich wieder offiziell fliegen darf, muss geklärt werden, ob du durch mein Verschulden in Gefahr geraten bist. Ob ich i r gendwas hätte besser machen können. Du … du bist eine wichtige Frau. Jeder Mensch ist wichtig “ , fügte er leise hinzu, mit einem L ä cheln, das ihr das Herz brechen wollte. „ Bis alles geklärt ist, bin ich vom Dienst freig e stellt. “
Mit zwei Schritten war sie bei ihm. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. „ Du bist gefeuert worden, weil du mir das Leben gere t tet hast? “ Unglaube färbte ihre Stimme grell. „ Ich … wenn du nicht gewesen wärst, der Heli wäre vom Himmel gefa l len wie ein Huhn ohne Flügel. Ich hätte den Absturz nicht übe r lebt. “
Er wich ihrem Blick aus. Sie sah, wie sich seine Fingerknöchel weiß färbten, als er die Hände zu Fäusten ballte. „ Kaya, ich … viel Glück mit Anthon Frederiksen morgen. Das wollte ich dir noch sagen. Du bist eine erstaunliche Frau. Alles Gute. “
Ein Brennen hinter den Augen vernebelte ihren Blick. Er wollte gehen. Er war schon fast bei der Tür. Er war gekommen, um ihr Lebewohl zu sagen und jetzt ging er.
„ Silas .“
Über die Schulter hinweg sah er sie an. Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte er sie an James Dean erinnert. Heute erinne r te er sie nur an ihn selbst.
„ Geh nicht. Bleib. Bitte. “ Das letzte Wort nicht mehr als ein Hauch.
Er kämpfte mit sich. Sie sah es an der Art, wie die Sehnen an se i nem Hals hervortraten, wie seine Schultern sich unter seinem Pull o ver aus gerippter Baumwolle spannten. Immer noch fand sein Blick nicht ihre Augen. „ Was hat sich geändert? “
Du, wollte sie ihm sagen. Du. Ich. Alles. Du hast alles verä n dert. Du bist aus dem Hubschrauber gestiegen und die Welt hat bego n nen, sich wieder zu drehen. Viel zu lange hatte es gedauert, bis sie begriff, dass sie festgefroren war. In einer Welt, die nach Zuhause duftete und ihre Hilfe brauchte , um in die Zukunft zu sehen, war sie festgefroren in der Vergangenheit. Und es hatte Silas gebraucht, um ihr die Augen zu öffnen.
Die Worte blieben in ihrem Hals stecken . Manchmal waren Worte nicht genug. Sie öffnete ihre Finger, die noch immer das Han d tuch vor der Brust hielt. Leise rauschend glitt das Frottee zu Boden. Schritt für Schritt ging sie auf ihn zu. Die Zweifel in se i nen Augen schmer z ten. Aber nicht so sehr, wie die Vorstellung, dass er jetzt ging und sie wieder allein wäre. O h ne ihn aus den Augen zu lassen, griff sie mit beiden Händen in den Nacken und hob das L e derband, an dem Nattoraliks Anh ä nger befestigt war, über den Kopf. Die Kette folgte dem Handtuch auf den Boden. Sie würde sie aufh e ben und bewahren . Sp ä ter. Was jetzt zählte, war das Leben.
„ Kaya. “ Ihr Name ein Keuchen auf seinen Lippen.
„ Silas. “
Und dann sagten sie für lange Zeit nichts mehr. Sie ertrank in se i nen Lippen, die nicht mehr zart waren, so n dern rau wie ihre. Hände glitten über Haut, suchten und fanden. Er küsste ihren Mund und ihren Kiefer. Ihre Finger griffen nach dem Bund se i nes Pullovers. Haut, sie brauchte Haut. Und sie brauchte ihn. Ihr Kopf fiel in den Nacken, als
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