Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
sich zum Abendessen mit den Ingenieuren zusammensetzt. Den Tag an der Strecke ausklingen lassen – auch das ist ein fester Bestandteil des Donnerstags.
Rituale
Viele Sportler sind Gewohnheitstiere. Feste Abläufe geben Sicherheit. Der Tennisprofi Rafael Nadal hat kein Problem damit, in einem unordentlichen Hotelzimmer zu wohnen. Aber wenn er auf dem Tennisplatz an die Grundlinie schreitet, müssen seine Wasserflaschen exakt aufgereiht neben dem Bänkchen stehen, auf das er sich beim Seitenwechsel setzt. Der einstige Fußball-Profi Ewald Lienen wollte später, als Trainer, an einem Spieltag nie darüber nachdenken müssen, in welcher Kleidung er aus dem Haus geht. Deshalb zog er immer das Gleiche an: Jeans und ein Sakko. Sommer wie Winter. Nigel Mansell wollte vor jedem Rennen der Erste sein, der aus der Boxengasse fährt. Fernando Alonso prüft vor jedem Grand Prix in der Box noch einmal die Wettervorhersage. Wenn der Grand Prix um 14 Uhr gestartet wird, bricht er um 13.49 Uhr in die Startaufstellung auf. Um exakt 13.49 Uhr. Auch Sebastian Vettel hat feste Abläufe: Er zieht erst den linken Handschuh an. Er steigt von links ins Auto. Immer. Dann ist er bereit. Aber losgehen kann es noch nicht. Formel-1-Autos ähneln eher Kampfjets als normalen Autos. Die Fahrer werden nicht einfach angeschnallt. Sie werden in der Sitzschale, die für jeden individuell angefertigt ist, verzurrt. Breite Gurte werden über ihre Schultern und um ihre Beine geführt und mit viel Kraft angezogen. Der Fahrer alleine schafft das nicht. Er braucht Hilfe. Der Overall sollte unter den Gurten keine Falten werfen. Die Kräfte, die beim Bremsen wirken, sind so gewaltig, dass es üble Druckstellen geben würde. Die Autos sind brachial. Sie sind martialisch laut. Sie drängen mit einer schier unbändigen Kraft nach vorne – und ebenso eindrucksvoll wirken die Bremsen.
Und all das erlebt der Fahrer eher im Liegen denn im Sitzen. Der Po befindet sich nur wenige Zentimeter über der Straße. Die Beine stecken in einer engen Röhre, die leicht aufwärts zur Fahrzeugnase führt. Die Füße ruhen auf zwei Pedalen, die stark eingefasst sind, damit die flachen Rennfahrerschuhe nicht abrutschen. Rechts Gas, links Bremse. Ein Kupplungspedal gibt es nicht mehr. Die Gänge werden über Wippen am Lenkrad gewechselt. Leuchtdioden zeigen an, wann es so weit ist. Aber auch da gilt: Wenn einer bewusst reagiert, ist es schon zu spät. In der Formel 1 zu bestehen, ist so anspruchsvoll, weil die Konkurrenz so stark und jede Platzierung so hart umkämpft ist. Nuancen entscheiden. Wer pro Runde auch nur ein Prozent hinter dem Schnellsten bleibt, der wird überrundet. Aus eigener Kraft setzen sich die Autos allerdings nicht in Bewegung. Um Gewicht zu sparen, gibt es keine Batterie. Die Mechaniker starten den Motor mit einem externen Anlasser. Fortan ist es so laut, dass sich der Fahrer nur noch per Handzeichen verständlich machen kann, oder mit dem Funk, den er eingebaut im Helm trägt. Seit Anfang der achtziger Jahre gibt es diese Technik. Vorher wurde vor allem mit den Tafeln kommuniziert, die dem Fahrer beim Passieren der Start-und Zielgeraden, wo sich die Kommandostände an der Boxenmauer befinden, gezeigt wurden.
Streckenkunde
Es gibt Rennstrecken, die üben auf die Fahrer eine besondere Faszination aus. Der Suzuka-International-Racing-Course ist so eine Strecke. Hier verbinden sich Spektakel und Historie. 1989 kollidierten hier die beiden McLaren-Fahrer Ayrton Senna und Alain Prost. Senna hatte nur noch eine Chance auf den WM -Titel, wenn er das Rennen gewann. Das wollte Prost verhindern. Mit allen Mitteln. Vor der Schikane, hinter der die Start-und Zielgerade beginnt, krachte es. Prost schied aus, Senna bog über einen Umweg zurück auf die Strecke und gewann. Später wurde er dafür disqualifiziert, Prost war zum dritten Mal Weltmeister. Im Jahr darauf, Prost war zu Ferrari gewechselt, revanchierte Senna sich. Gleich nach dem Start, in der ersten Kurve, traf er Prost im Heck. Beide schieden aus. Senna war zum zweiten Mal Weltmeister. Zehn Jahre später feierte Michael Schumacher in Suzuka seinen ersten WM -Titel mit Ferrari. Gebaut wurde die Rennstrecke Anfang der sechziger Jahre vom Honda-Konzern, der zuvor ganz in der Nähe ein Werk errichtet hatte. Geplant war ein Freizeitpark, zum Ausgleich für die Angestellten. Aber als ihm die Pläne gezeigt wurden, verfügte Firmengründer Soichiro Honda: »Ein Freizeitpark kann überall gebaut werden. Ich will
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