Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
eine Rennstrecke. Ohne Rennen werden die Autos nicht besser.« Der Freizeitpark wurde trotzdem gebaut. Aber auch der niederländische Rennstrecken-Architekt John Hugenholtz durfte loslegen. Seine Kreation hatte etwas Verwegenes. Auf den ersten Blick erinnert sie an einen achtlos hingeworfenen Faden, der sich ineinander verschlungen hat. Es geht bergauf und bergab, und es gibt eine Brücke, weil die Strecke sich wie eine Acht in die Landschaft schmiegt. Wie jeder Kurs wird sie für die Formel 1 in drei Sektoren eingeteilt, und es ist der erste, von dem ein besonderer Reiz ausgeht: Fünf schnelle Kurven lauern dort, die so genannten »Esses«. Sie gut zu nehmen, ist schwierig. Die Fahrer kommen mit mehr als 240 km/h an, die Fliehkräfte reißen sie nach rechts und nach links. Im zweiten Sektor wartet eine andere Herausforderung: Spoon Corner, die Löffel-Kurve. Ein Linksknick, in dem die Fahrer einmal nachsteuern müssen. Und herunterschalten. Und aufpassen, dass sie so früh wie möglich wieder Gas geben, weil es danach auf eine sehr lange Gerade geht, an deren Ende eine der schnellsten Kurven im Rennjahr wartet, die 130R. Der Linksbogen heißt so, weil die Straße hier mit einem Radius von 130 Metern nach links knickt, was es den Fahrern erlaubt, voll auf dem Gas zu bleiben. Bei Tempo 300 wird ihr Körper mit der vierfachen Erdanziehungskraft zur rechten Cockpitwand gedrückt. Solche Kurven bereiten den Fahrern Spaß. Weil sie dort gefordert werden, herausgefordert.
Einen anderen Knick mit einem ähnlichen Kick gibt es im belgischen Spa-Francorchamps: die Eau Rouge. Dort jagen die Autos durch eine Links-Rechts-Kombination, die in einer Senke liegt. Ganz unten, wo unter dem Asphalt ein kleiner Bach fließt, dessen eisenhaltiges, rötlichschimmerndes Wasser dem Ort seinen Namen gibt, werden die Autos 2,5 Zentimeter in die Federn gedrückt und die Fahrer in ihre Sitzschalen gestaucht. Wenn sie gleich darauf auf der anderen Seite den Hügel hinaufschießen, sehen sie nicht, wo die Reise hingeht. Sie sehen nur: Himmel. Es ist jedes Mal ein Erlebnis wie für Astronauten beim Start ins Weltall. Können ist an solchen Stellen gefragt, Präzision und Mut. In Spa und in Suzuka ist niemand zufällig schnell. Mit den ersten Runden von Suzuka ist das Prickeln da. »Selbst wenn es regnen würde, Minusgrade hätte und wir nur einen Satz Reifen hätten, wäre es noch eine der besten Strecken«, sagt Sebastian Vettel. 2009 hat er in Suzuka gewonnen. 2010 auch. In dem Jahr glückte Red Bull sogar ein doppelter Erfolg: Sebastian Vettel vor seinem Teamkollegen Mark Webber – so lautete die Reihenfolge am Sonntag. Am Samstag in der Qualifikation. Und am Freitag in den ersten beiden Trainingsläufen.
Gegnerstudium
2011 ist das anders. Nicht Sebastian Vettel gibt das Tempo vor, sondern der einzige Rivale, der ihm noch verblieben ist: Button. Der Brite begann in der Formel 1 einst auch als Wunderkind, im Jahr 2000, als er ein Ausscheidungsfahren für das Cockpit des traditionsreichen Rennstalles Williams für sich entschied. Button war damals zwanzig und der jüngste britische Formel-1-Fahrer. Er war eine Hoffnung. Aber die trog lange. Button konnte sich bei Williams nicht durchsetzen. Also ging er auf Tingeltour. Zum Benetton-Team, aus dem die Renault-Equipe wurde. Später zu British American Racing, aus dem dann die Honda-Werksmannschaft wurde. Wenn Button alle Overalls nebeneinanderhängt, die er getragen hat, kommt ein farbenfroher Reigen heraus. Auch sonst führte er lange ein buntes Leben. Er war mit Louise Griffiths verlobt, einer Pop-Sängerin, die es bei »England sucht den Superstar« weit gebracht hatte. Zur Hochzeit kam es nicht. »Jetset Jenson«: So haben die britischen Boulevard-Zeitungen Button lange genannt. Den Ruf zementierte er, indem er seine 22-Meter-Yacht »Little Missy« beim Großen Preis von Monaco im Hafenbecken vertäute, dort, wo sich auch ein Eingang zum Fahrerlager befindet. »Lazy Playboy« – mit diesem zweifelhaften Kompliment belegte ausgerechnet Flavio Briatore Button. Es war nicht der einzige Hohn, den der Renault-Teamchef über ihn ausschüttete. »Es ist immer das Gleiche: Am Donnerstag schreibt die britische Presse, Jenson sei jetzt für den ersten Sieg bereit. Am Freitag werden die Töne etwas verhaltener. Am Samstag gibt es Probleme. Am Sonntag gewinnt ein anderer.« Button selbst gab zu: »Als ich in die Formel 1 kam, war ich sehr unerfahren. Ich dachte, man muss nur ein gutes Wochenende
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