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Polivka hat einen Traum (German Edition)

Polivka hat einen Traum (German Edition)

Titel: Polivka hat einen Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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also … dem Waggon, hier abzukoppeln. Sie wissen ja, in Langenlebarn gibt es keine Nebengleise.»
    «Passt schon.» Polivka wischt sich den Schweiß von der Stirn. «Wer war sonst noch im Wagen?»
    «Keiner. Am Nachmittag ist nicht viel los bei uns.»
    «Wann fahren S’ denn immer ab in Wien?»
    «Pünktlich um vierzehn Uhr neunundzwanzig. Aber mit ein bisserl Verspätung muss man immer rechnen. Heut waren’s circa fünf Minuten.»
    «Und wo ist er eingestiegen, der Herr Jeschko?»
    «Das … kann ich nicht ganz genau sagen. Ich hab noch alles Mögliche zu tun gehabt vor meinem ersten Kontrollgang.»
    Wäre ihm wohler in seiner dampfenden Haut, in seinem nass geschwitzten Hemd, Bezirksinspektor Polivka käme an dieser Stelle ein Schmunzeln aus. Er kann sich bildhaft vorstellen, was der Mikulitsch alles zu tun hatte. Und seine Vorstellung kommt der Wahrheit ziemlich nahe.
    «Wenn ich etwas fragen darf, Herr Kommissar», bringt der Mikulitsch nun das Gespräch auf ein anderes Thema, «haben Sie einen Fahrschein bei dem Herrn gefunden?»
    «Nein», sagt Polivka. «Weder in den Anzugtaschen noch im Portemonnaie. Die Leiche war ein blinder Passagier.»

    Nach Wien zurückgekehrt, fährt der Bezirksinspektor den Computer hoch, um mit dem polizeiinternen Datennetz nach Albert Jeschkos Leben vor dem Tod zu fischen. Geboren 1973 in Floridsdorf, hat Jeschko daselbst die Pflichtschule und eine Ausbildung zum Tischler absolviert. Nach mehreren Jahren als Angestellter einer Baufirma ist er im Jahr 1999 erstmals als Geschäftsmann auf den Plan getreten: Mit Hilfe von Krediten hat er ein desolates Zinshaus erstanden, sich der eingesessenen Mieter entledigt, die Wohnungen renoviert und weiterverkauft. Den stattlichen Gewinn hat Jeschko sofort in ein altes Vorstadtcafé investiert, es umgebaut und sein erstes Lokal namens Bistro La Tomate eröffnet. In Hietzing folgte bald das zweite: Am Standort des Wirtshauses Zum Lampenputzer hat Jeschko das Bistro L’Aubergine errichtet. Weitere Niederlassungen gründete er später in Rodaun und Mariahilf: So mussten das Weinlokal Lustige Lilli und die Gastwirtschaft Sittich in den vergangenen Jahren dem Bistro Le Chou-fleur und dem Bistro La Laitue weichen.
    «Paradeis, Melanzani, Karfiol und Häuptelsalat», resümiert Polivka, der sich des Französischen aus seiner Schulzeit noch leidlich entsinnt.
    Jeschko ist in der Josefstadt als wohnhaft gemeldet; er war kinderlos und ledig, ledig auch jeglicher Vorstrafe. Ein Auto hat er allerdings gehabt: Auf seinen Namen ist ein Audi Q5 eingetragen, also einer jener sogenannten SUVs, die nicht nur aussehen wie die Kreuzung zwischen einem deutschen Wehrmachtshelm und einem Kühlschrank, sondern auch deren Funktionen vereinen.
    «Und dann steigt er ohne Fahrschein in den Zug», brummt Polivka.
    Es klopft. Kollege Hammel tritt in Polivkas Büro.
    «Wir haben den Wagen gefunden», ächzt der wohlbeleibte Hammel (auch ihm rinnt der Schweiß von der Stirn). «Und jetzt raten S’ einmal, wo.»
    «Raten werd ich schon was», Polivka zieht seine Augen zu drohenden Schlitzen zusammen, «aber Ihnen, Hammel. Nämlich, dass Sie mich nicht auf die Folter spannen. Also sagen Sie schon!»
    «Gleich neben dem Franz-Josefs-Bahnhof.» Hammel schüttelt den Kopf. «Warum ist der dann in den Zug gestiegen? Ohne Fahrschein?»

    In der Nordbergstraße gleich beim Spittelauer Platz steht er also, Jeschkos dunkelblauer Panzerwagen. Polivka umkreist das Auto, späht durch die Scheiben ins Innere. Er kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Auf der anderen Straßenseite führen mehrere Pforten zu den Fracht- und Betriebsräumen des Bahnhofs; der Wagen selbst aber ist vor dem Gasthaus Orlik geparkt, das zu den wenigen in ihrer schlampigen Würde erhaltenen Beiseln der Wienerstadt zählt.
    Beim Anblick des Lokals wird Polivka von einem ganz immensen Drang nach einem weißen Spritzwein übermannt. Schon steuert er auf den Schanigarten des Orlik zu, als sich sein Handy in der Hosentasche meldet. Lass mich dein Badewasser schlürfen , jene Melodie also, die er der Telefonnummer des Pathologen zugewiesen hat.
    Das kurze, aber freundliche Gespräch mit Doktor Singh bringt Polivka weitere Aufschlüsse. Der indische Guru der Leichenbeschau bestätigt die Todesursache: Verschluss der Atemwege durch deren gewaltsame Penetration mit einer etwa vierzig Zentimeter langen Cucumis sativus , also einer domestizierten Gurke (deren ursprüngliche Wildform Cucumis hardwickii , wie Doktor Singh

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