Polt - die Klassiker in einem Band
gestanden hatte. „Ich trinke neuerdings wieder, wissen Sie?“
Polt saß eine gute Weile ruhig da und spürte, wie Ärger in ihm hochstieg. „Sie sind aber noch so halbwegs nüchtern heute?“
„Ja.“
„Dann helfen Sie mir bitte. Haben Sie etwas mit dem Tod Ihres Mannes zu tun? Ja oder nein?“
„Nein.“
„Könnte Florian Swoboda der Mörder sein?“
„Ja.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Er hat davon geredet, wie er es anstellen würde, mit Gärgas und so. Sogar eine Dunstwinde hatte er sich schon besorgt, um das Zeug hinüberzublasen.“
„Früher haben Sie ihn aber für harmlos gehalten.“
„Ja.“
„Warum?“
Sie lachte. „Weil einer, der mit mir ins Bett geht, nicht wirklich böse sein kann. Im Ernst: Sein Gerede war für mich die übliche Angeberei und die Dunstwinde ein blödes Kriegsspielzeug. Erst als Bartl fast daran glauben mußte, ist mir ein Licht aufgegangen.“
„Aber Sie wissen nichts Konkretes?“
„Nein. Oder vielleicht doch. Am Todestag meines Mannes hat mich Florian angerufen, noch bevor Sie gekommen sind, Herr Inspektor.“
„Was hat er gesagt, möglichst wörtlich?“
„Das ist nicht schwer, weil es nur ein paar Worte waren: Hallöchen. Florian spricht. Trag’s mit Fassung, Grete. Der Albert ist tot. Wir haben es geschafft.“
„Und Ihre Antwort?“
„Ich habe aufgelegt und gelacht und geheult.“
Simon Polt erhob sich schwerfällig. „Ich bin nicht dazu da, Ihnen Ratschläge zu geben. Aber wollen Sie hören, was ich mir so denke?“
„Freilich.“
„Sie sollten nicht in Brunndorf bleiben, in diesem häßlichen Haus, unter Leuten, mit denen Sie nichts anfangen können.“
Auch Grete Hahn stand auf. Sie trat an den Gendarmen heran und rückte seine Dienstkrawatte zurecht. „Wahr gesprochen, mein Lieber. Aber noch will ich nicht fort.“
„Und warum?“
„Sie würden mir zu sehr fehlen, Herr Inspektor.“
Als Simon Polt vor die Tür trat, begrüßte ihn zaghaftes Sonnenlicht. Es war windstill, und die Luft roch nach nasser Erde. Er fuhr mit geöffnetem Seitenfenster in die Brunndorfer Kellergasse. Es war gut möglich, daß er dort einen der Nachbarn von Albert Hahn antraf und beiläufig erfahren konnte, was über die Verhaftung von Florian Swoboda geredet wurde.
In der großen Kellergasse waren einige Preßhaustüren offen, und Autos oder Traktoren standen davor. Hangwärts, gegen den Wald zu, wo die Preßhäuser von Friedrich Kurzbacher und Karl Brunner standen, war alles ruhig. Der Gendarm stellte das Auto ab und ging ziellos ein paar Schritte. Das letzte Preßhaus in der Reihe erweckte sein Interesse. Es war eines von der alten Sorte, mit krummen, schiefwinkeligen Wänden aus Lehm, Steinen und Stroh. Der Dachstuhl war unter der Last moosiger Ziegel merklich eingesunken, ein fingerdicker Riß zeigte, daß eine Seitenmauer begann, sich gefährlich nach außen zu neigen, und große Flächen des weißen Kalkanstriches waren abgeblättert.
Polt schaute durch eine der winzigen Fensteröffnungen. Im Dämmerlicht konnte er eine kleine Weinpresse erkennen, eine von denen, die ohne Preßbaum und Stein nur mit Muskelkraft bewegt werden. Außerdem gab es das notwendige Kellergerät, und alles war ordentlich aufgeräumt. Der Gendarm konnte sich nicht erinnern, jemals Leben in diesem Preßhaus bemerkt zu haben, und doch war hier offensichtlich vor nicht allzu langer Zeit gearbeitet worden. Eine kleine Holzbank stand neben der Tür an der Mauer. Simon Polt konnte nicht widerstehen, nahm gemächlich darauf Platz, blinzelte in die Sonne, schloß die Augen und wäre wohl auch ein wenig eingeschlafen, hätte er nicht eine Stimme gehört, die seinen Namen nannte.
Er blickte auf und sah eine kleine, unglaublich dürre Gestalt vor sich stehen. Sie war in einen dunklen Anzug mit Längsstreifen gekleidet, wie ihn Bauern auf dem Kirtag oder bei Begräbnissen tragen. Allerdings war das feierliche Textil nicht mehr als Ganzes vorhanden, Sicherheitsnadeln hielten die verbliebenen Teile zusammen. Polt getraute sich nicht, das Alter des Mannes zu schätzen, fest stand nur, daß Friedrich Kurzbacher, der schon vor Jahren seinen Siebziger gefeiert hatte, neben ihm als Jüngling dagestanden wäre.
„Es ist mein Preßhaus“, sagte der Alte. „Bleiben Sie ruhig sitzen, aber rücken Sie zur Seite, damit ich mich auch ein wenig ausrasten kann. Sind Sie übrigens in der traurigen Angelegenheit mit dem Albert Hahn schon weitergekommen?“
Der Gendarm war verblüfft.
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