Polt - die Klassiker in einem Band
du. Schlimm das mit dem Willi für dich, nicht wahr? Aber du solltest dir nicht so viel antun, wegen dem.“
„Und warum nicht?“
„Es war doch kein Leben, das der geführt hat. Dem ist es gar nicht zu Bewußtsein gekommen, als es aus war.“
„Der Willi hat mehr wahrgenommen, als man glauben möchte, auf seine Weise.“
„Vielleicht ist er oben am todten Hengst einem Vogel nachgelaufen und dabei abgestürzt, dann wär’s sogar irgendwie ein schöner Tod gewesen.“
„Ich würde gerne daran glauben“, sagte Polt, „aber ich tu’s nicht.“
„Deine Sache. Kaffee?“
„Ja, bitte.“
Polt nahm einen Schluck und hatte im selben Augenblick Magenschmerzen. „Etwas anderes. Dieser Horst Breitwieser …, war der öfter bei dir?“
„Ja, eigentlich täglich, um dreiviertel fünf, nach seinem Spaziergang. Nach dem hast du die Uhr stellen können. Er hat ein Viertel Rotgipfler getrunken und Zeitung gelesen. Kein unfreundlicher Mann, aber schweigsam und ziemlich reserviert. Andere Gäste hat er nur knapp gegrüßt. Geredet hat er mit keinem.“
„Und keiner mit ihm, nicht wahr?“
„Stimmt natürlich.“ Franzgreis stellte ein paar Gläser ins Regal. „Die Bauern wollen mit denen vom Gutshof nichts zu tun haben, war schon immer so. Das ist eine andere Welt.“
„Aber der Riebl Rudi war nicht so wählerisch mit seiner Unfallmasche.“
„Dem war’s doch egal, woher das Geld gekommen ist.“
„Von wegen Geld. Weißt du, wie’s dem Breitwieser so geht?“
„Keine Ahnung. Geredet wird natürlich schon. Die einen halten ihn für einen stinkreichen Geizhals und die anderen für einen arroganten Bettler.“ Franzgreis schaute zur Tür. „Meine Verehrung, Herr Steiger!“
Der neue Gast antwortete mit einer lustlosen Handbewegung. „Einen Tee bitte, und ordentlich Rum hinein.“
„Was ist denn mit Ihnen los?“
„Ach was. Eine Art Grippe. Ich bin derart kaputt, daß ich gerade noch die paar Meter von meinem Hof hierher schaffe. Schon seit drei Tagen war ich nicht einmal im Preßhaus.“
Simon Polt wandte sich ihm zu. „Das ist allerdings schlimm.“
„Können Sie laut sagen, Herr Inspektor. Wie ein eingesperrter Feldhase komm ich mir vor.“
„Na, dann gute Besserung.“ Polt trank den restlichen Kaffee. „Ich werde kurz in der Dienststelle vorbeischauen. Vielleicht gibt’s was Neues.“
Inspektor Halbwidl, der Journaldienst hatte, musterte Polt erstaunt. „Du kriegst wohl nie genug von der Gendarmerie, was?“
„Derzeit nicht. Irgendwas Neues, was den Breitwieser angeht oder den Willi?“
„Nicht daß ich wüßte.“
„Dann werde ich mich eben ein wenig in Brunndorf umhören, sozusagen privat.“
„Dein Vergnügen.“
Simon Polt ging erst einmal durch die schmale Badgasse zum Haus von Walter Röhrig. Eigentlich war der Mann Weinbauer, doch in jeder freien Minute wurde er zum Mechaniker. Sein Vater hatte ihm diesen Berufswunsch verwehrt, aber der Röhrig Walter hatte sich schon immer zu helfen gewußt. Die Tür zur kleinen Werkstätte war geöffnet, und über der Montagegrube stand ein uralter Mähdrescher. Polt wartete geduldig. Nach einiger Zeit kam eine stämmige ölverschmierte Gestalt ans Licht. „Guten Morgen, Simon, schon so früh auf?“
„Du bist ja auch schon am Werk.“
„Ja, aber ohne Nachtdienst vorher – wenn man vom Kirchenwirt absieht. War ziemlich feucht, ehrlich gesagt.“
„Um mein Fahrrad hast du dich noch nicht kümmern können, wie?“
Statt einer Antwort wies Walter Röhrigs Hand nach hinten. Dort stand das schwarze Steyr-Waffenrad des Gendarmen und war so gut wie neu. „Ich habe die Räder samt den Reifen einfach ausgetauscht. Gottlob liegt jede Menge Ersatzteile bei mir herum.“
„Großartig, danke! Was bin ich schuldig?“
„Nichts. Denk halt daran, wenn du mich das nächste Mal mit dem Auto erwischst.“
„Geht nicht, das weißt du.“
„Klar. War auch nur ein Witz.“ Der Mechaniker griff ans verbeulte Blech des Mähdreschers. „Einen Sommer macht er’s noch, der alte Bursche. Hoffentlich.“
„Aber ja. Bei deiner Pflege!“ Polt holte sein Fahrrad, stieg auf und fuhr langsam Richtung Brunndorf. Gleich nach dem Ortsschild bremste er. Hier war es geschehen. Die weißen Kreidestriche auf dem Asphalt zeichneten noch deutlich sichtbar die Konturen des Unfalls nach.
„He! Simon!“
Der Gendarm zuckte zusammen. Diese Stimme kannte er doch. Er wandte sich um. „Frau Stirbl!“
„Wer sonst. Und schau nicht so verdattert. Du
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