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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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davon war Polt überzeugt. Doch vorerst gab es auch Probleme, die ihm unter anderem eine Menge neuer Kollegen einbrachten, Gendarmen für die Grenzsicherung. Erst ein paar Wochen war es her, da hatten sich im Turnsaal der Burgheimer Hauptschule über dreißig Rumänen gedrängt, erschöpfte, enttäuschte Menschen, darunter Mütter mit Kleinkindern. Wieder einmal war ein Schleppertransport aufgegriffen worden. Die Flüchtlinge bekamen zu essen und zu trinken, wurden freundlich mit dem Nötigsten versorgt, und dann entledigte man sich ihrer mit höflichem Nachdruck. Abschiebung, wie das Gesetz es befahl. Polt seufzte re­signierend. Dann hörte er einen Traktor näherkommen. Karl Gapmayr lenkte ihn. Er bremste scharf, stieg vom Fahrersitz und ging mit energischen Schritten auf Polt zu, der noch immer am offenen Fenster stand.
    „Ich habe eine Meldung zu machen, Herr Inspektor.“
    „Warum kommen Sie nicht herein?“
    „Vielleicht ist es eilig. Aber wahrscheinlich nicht, wie ich befürchte.“
    „Reden Sie schon, was ist denn los?“
    „Ich habe bis vor kurzem gearbeitet, oben, in meiner Riede todter Hengst , wo wir miteinander geredet haben heute nachmittag. Abschließend schaue ich mich immer noch ein wenig um. Und da sehe ich den Willi wie tot unter dem Lößabsturz liegen. Ich weiß nicht, was mit ihm ist, aber es schaut nicht gut aus. Ich wollte so rasch wie möglich zu Ihnen. Tut mir leid für Sie, Inspektor. Sie dürften ihn ja gemocht haben, irgendwie.“
    „Ruf den Arzt, schnell“, rief Polt über die Schulter dem Ernst Holzer zu, dann schwang er sich aus dem Fenster und rannte zum Streifenwagen.
    Gapmayr schaute ihm nach. Weil sich keiner um ihn kümmerte, stieg er auf seinen Traktor und startete. Die Gendarmen wußten ja, wo er zu finden war.
    Simon Polt gab es in diesen Minuten zweimal. Einen Polt, der erstarrt und hilflos zuschaute, und einen anderen, der handelte. Er sah sich die Autotür öffnen und den Schlüssel ohne zu zittern im Startschloß drehen. Dann fuhr er los, konzentriert, exakt und in einem Höllentempo. Die Kellergasse war menschenleer. Am Ziel angekommen, war Simon Polt allein.
    Unter dem Lößabsturz wuchsen Büsche, davor wucherte hohes Gras. Polt konnte erst nicht sehen, wo Willi lag. Ein paar Schritte weiter glaubte er eine Mulde im Gras zu erkennen. Er lief darauf zu, blieb stehen und kniete nieder. Willi lag auf dem Rücken. Sein Gesicht schaute zu Polt hoch und hatte einen merkwürdig glücklichen Ausdruck. Die Kleidung war zerrissen, die Haut zerkratzt und aufgeschürft. Polt fühlte nach dem Puls, versuchte Atem zu spüren und senkte dann seinen Kopf. Er berührte Willis Stirn mit den Fingerspitzen, machte eine kleine streichelnde Bewegung und drehte sich um, als er hinter sich Geräusche hörte. „Dr. Eichhorn! Danke, daß Sie so rasch gekommen sind, aber es ist wohl alles zu spät.“ Dann erhob er sich und trat einen Schritt zurück, um Platz für den Arzt zu machen.
    Wenig später schaute Dr. Eichhorn hoch. „Ein tödlicher Sturz, nach allem, was ich feststellen kann. Im Fallen dürfte der arme Kerl auch noch an Vorsprüngen an der Wand aufgeprallt sein. Übrigens nehme ich an, daß mein Kollege vom Gericht noch in Brunndorf obduziert. Da ginge es in einem, auch gleich den Willi genauer anzuschauen. Gibt es aus Ihrer Sicht irgendwelche Hinweise auf Fremdverschulden, Inspektor?“
    „Nein. Ja, doch, vielleicht.“
    „Was also?“
    „Willi hat mir heute versprochen, nie zu dicht an den Absturz heranzugehen. Und seine Versprechen hat er immer gehalten, eisern.“
    „Und wenn ihn etwas erschreckt hat? Solche Menschen neigen zu Panikreaktionen, wissen Sie?“
    Polt schwieg.
    Dr. Eichhorn holte ein klobiges Mobiltelefon aus der Arzttasche. „Soll ich?“
    „Ja, natürlich, bitte.“
    Der Arzt wählte, und nach ein paar Worten übergab er das Gerät dem Gendarmen. „Dr. Wanasek ist dran.“
    Polt berichtete, und der Jurist hörte sich die Ausführungen des Inspektors geduldig an. Dann meinte er: „Ein bedauerlicher Unfall eines geistig Behinderten. Ich wüßte nicht, was es da viel zu untersuchen gäbe. Aber was soll’s. Kommen Sie bitte zu uns. Mit dem Herrn Riebl sind wir fertig, und Ihr Dienststellenleiter ist schon gegangen. Einen Gendarmen brauchen wir aber bei der Obduktion.“
    „Ja“, sagte Polt.
    Dr. Eichhorn schaute ihn zweifelnd an. „Schaffen Sie das wirklich? Sie waren mit dem Willi doch recht gut, nicht wahr?“
    „Ja, war ich. Ich rufe jetzt die

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