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Polt - die Klassiker in einem Band

Polt - die Klassiker in einem Band

Titel: Polt - die Klassiker in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Ihnen die Hand reiche, Herr Polt. Das wäre eine ziemlich anrüchige Form der Höflichkeit. Sind Sie vielleicht Gendarm?“
    „Ja, aber nicht im Dienst.“
    „Um so besser. Mit Uniformen habe ich Probleme. Besonders mit solchen im Kopf.“
    „Denken Sie an etwas Bestimmtes?“
    „Freilich. Und an den unverdächtigen Mantel darüber.“
    Polt musterte sein Gegenüber zunehmend interessiert. „Sollten wir nicht einmal in Ruhe miteinander reden?“
    „Gute Frage.“ Fritz Brenner grinste. „Aber erwarten Sie keine Antwort von mir.“
    „Schluß jetzt!“ Polt bemerkte eine magere Frau mit straff zurückgekämmtem Haar, die aus dem Hoftor gekommen war und den Zeigefinger auf ihre Lippen legte. „Leise bitte, mein Mann schläft. Es geht ihm nicht gut. Der Schock … Andrea Breitwieser ist mein Name. Sie sind Inspektor Polt, nicht wahr?“
    „Ja. Ich möchte nicht stören. Aber wenn wir ein paar Worte reden könnten?“
    „Natürlich. Ich bitte Sie nur nicht ins Haus, Sie wissen schon. Machen wir einfach einen kleinen Spaziergang. Und du hast doch sicher zu tun, Fritz, nicht wahr?“
    Brenner nickte, legte einen Augenblick seine Hand auf ihre Schulter und wandte sich ab.
    „Gehen wir?“ Frau Breitwiesers Stimme klang kraftlos.
    Polt fühlte sich unbehaglich. Er suchte nach Worten. „Es ist so … Ich bin nicht als Gendarm hier, wie Sie sehen.“
    „Ja, und?“ Sie war stehengeblieben.
    „Wir haben gute Gründe anzunehmen, daß Herr Riebl zumindest Mitschuld an dem Unfall Ihres Mannes trägt.“
    „Was macht das schon aus, Inspektor. Es ist alles vorbei. Es war immer ein erbärmliches Leben hier, doch jetzt ist das Unglück komplett.“
    „Wird vielleicht nicht so schlimm werden.“
    „Danke jedenfalls, daß Sie helfen wollen.“
    „Seit wann wohnen Sie eigentlich hier auf dem Hof?“
    „Gleich nach dem Krieg sind wir hergekommen, als junge Leute damals, viel zu früh erwachsen geworden. Wir haben es nicht ausgehalten, in diesem zerbrochenen, entehrten Wien.“
    „Kinder?“
    „Ach wissen Sie, Herr Inspektor. Erst war es eine Pflicht, sie zu kriegen, und dann ein Unglück, sie zu haben. Es ist bitter, verzichten zu müssen.“
    Sie hatten kehrtgemacht und gingen jetzt schweigend auf den Runhof zu. Dann dachte Polt laut nach. „Vielleicht gibt es ein Detail, das Ihr Mann bisher nicht beachtet hat und das ihn entlasten könnte.“
    Frau Breitwieser trat heftig mit der rechten Schuhspitze gegen einen kleinen Stein, der auf dem Weg lag. „Ich werde mit meinem Mann darüber reden. Und er wird Sie natürlich gerne empfangen, sobald es ihm besser geht. Sie sind jederzeit willkommen hier. Bis bald, demnach.“
    „Ja, bis bald.“ Polt setzte sein Fahrrad in Bewegung und spürte, daß er nun doch sehr müde war.
    Die Auferstehung
    Ostern war gekommen. Fast unwillig nahm Simon Polt zur Kenntnis, daß ihm das Leben wieder Freude machte. Noch dazu stand ein schönes Fest vor der Tür: die „Grean“. Das Wort stand für grün.
    Früher war im Wiesbachtal jahraus, jahrein kaum Fleisch auf den Tisch gekommen, und zu trinken gab es statt Wein den „Haustrunk“, die mit reichlich Wasser versetzte zweite Pressung der Maische. Am Ostermontag galt es aber zu feiern, Himmlisches wie Irdisches: Der Heiland war auferstanden, die Glocken waren doch wirklich aus Rom zurückgekommen, die dicken Fässer in den Kellern waren gefüllt, und der frische Wein funkelte klar in den Gläsern. Früher hatten die Bauern an diesem glücklichen Tag das Gesinde in die Kellergasse geladen, zu gutem Wein, Selchfleisch und frisch gebackenem Brot. Längst gab es keine Landarbeiter mehr auf den Höfen, aber man wollte sich das Feiern einfach nicht nehmen lassen, und so war schon seit vielen Jahren eben jeder eingeladen, der des Weges kam. Keiner der Bauern im Tal war wohlhabend, doch gerade jene, die eigentlich nichts zu verschenken hatten, taten es gerne.
    Simon Polt dachte darüber nach, als er am Ostermontag sein Fahrrad gemächlich durch die sacht ansteigende Burgheimer Kellergasse schob. Fast alle Preßhaustüren waren geöffnet, Tische und Bänke standen im Freien.
    In den letzten Tagen war es zwar wieder ziemlich kühl geworden, es hatte geregnet, und noch am Morgen war der Himmel betrüblich grau gewesen. Doch dann hatten sich die Wolken verzogen, und jetzt, am frühen Nachmittag war die Sonne schon sehr angenehm zu spüren. Die Kellergasse war voller Menschen. Kaum jemand aus Burgheim ließ sich das Fest entgehen, und die

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