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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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ist«, mischte sich der Kurzbacher ein, »ich will die Tschechen nicht. Seit sie herüberkommen dürfen, wird überall gestohlen und eingebrochen.«
    »Wo, zum Beispiel?« fragte Polt. »Na, da und dort eben, müßtest du doch besser wissen«, entgegnete der Weinhauer gereizt. »Jedenfalls kommt mir keiner in den Keller.«
    »Und was ist mit dem Karel?« fragte Wolfinger boshaft.
    »Ja der! Der ist in Ordnung, auf den ist Verlaß. Es gibt eben überall Ausnahmen.«
    Ein dumpfes Geräusch rettete Kurzbacher vor weiteren Rechtfertigungen. Swoboda war vom Sessel gerutscht, und der Tisch, an dem er sich festhalten hatte wollen, war mit ihm umgefallen. Kurzbacher trat mit schnellen Schritten näher, stellte die Doppelliterflasche auf, um den Rest Wein zu retten, der noch drin war, schob mit dem Fuß die Scherben des zerbrochenen Glases an die Kellerwand und griff dann gemeinsam mit Wolfinger dem Herrn Swoboda unter die Arme. »Jemand hat mich gestoßen«, beklagte sich dieser weinerlich und versuchte sich frei zu machen. Vorsichtig ließen die beiden Helfer los, Swoboda konnte sich erstaunlicherweise auf den Beinen halten, taumelte durch den Keller, erreichte die Stiege, stolperte und fiel hin. Ohne auch nur den Versuch zu machen, sich aufzurichten, setzte er seinen Weg auf allen vieren fort und kroch wie ein plumpes Tier nach oben.
    »Was wohl mit dem los war?« fragte Polt, ohne eine Antwort zu erwarten.
    »Jedenfalls wird seine Frau eine Freude haben«, sagte Wolfinger nicht eben boshaft, aber doch befriedigt.
    Kurzbacher nickte nur. »Jetzt trinken wir aber in Ruhe noch ein Glas«, sagte er dann und holte eine schlanke Bouteille mit Welschriesling hervor, als gäbe es etwas zu feiern.
    »Wie gut hat Swoboda den Hahn eigentlich gekannt?« fragte der Gendarm nachdenklich.
    »Man hat fast meinen können, sie wären Freunde«, antwortete Kurzbacher. »Aber einen Menschen, der sich mit dem Albert anfreunden hätte können, gibt es nicht. Schluß jetzt damit. Und prost.«
    Die drei Männer hoben die kleinen Kostgläser, tranken bedächtig, redeten noch über dies und jenes und machten sich endlich auf den Heimweg. Polt bestieg sein Fahrrad und bog in den Feldweg ein, der nach Burgheim führte. Er genoß die klare, kühle Nachtluft, schaute zwischendurch zum Himmel hoch, der hier, wo kaum Lichter störten, von funkelnden Sternen übersät war, und bremste heftig, als er neben dem Weg ein zuckendes Bündel liegen sah. Polt erkannte Florian Swoboda, der verzweifelt versuchte, auf die Beine zu kommen, doch immer wieder daran scheiterte, wie ein auf den Rücken gefallener Käfer: Jemand hatte Florian Swoboda einen dünnen Stecken durch beide Rockärmel geschoben.
    Polt kannte diesen grausamen Spaß nur zu gut und tat sich schwer, ihn unter das erhaltenswerte Brauchtum einzureihen. Jedenfalls befreite er Swoboda von seiner Folter und entschloß sich, diesen Unglücksmenschen vorsichtshalber nach Hause zu bringen.
     
    Erde zu Erde
     
    Am Tag, als Albert Hahn zu Grabe getragen wurde, schien es, als sei der Sommer mit aller Macht zurückgekehrt. Schon in den frühen Vormittagsstunden war es richtig warm gewesen, und gegen Mittag, als der Trauergottesdienst gehalten wurde, zitterte die sonnenheiße Luft vor der kleinen Kirche. Drinnen war es ein wenig kühler, es roch nach Weihrauch und frischen Blumen, helles Licht strömte durch die bunten Fenster und fiel auf den Sarg, der in der Mitte des Raumes stand.
    Inspektor Polt, der an diesem Tag dienstfrei hatte, war in der Nähe des Eingangstores stehengeblieben, weil er ja nicht wirklich zu den Trauergästen gehörte. Viele waren es nicht. Neben Grete Hahn, der Witwe, saß eine sehr alte Frau, wohl die Mutter: Klein und schmal war sie, hielt sich aufrecht und hatte den Kopf erhoben, ganz anders als die alten Frauen im Dorf, die sich jedes Jahr tiefer beugten, als hätten sie schon Sehnsucht nach der Erde. In derselben Bank saß noch ein Ehepaar mittleren Alters. Gleich dahinter erkannte Polt Florian Swoboda, dessen Frau und Dipl.-Ing. Werner Pahlen, jenen Architekten, der mit Albert Hahn zusammengearbeitet hatte: ein schlanker Mann mittleren Alters, dessen hellbraunes Haar schon von weißen Strähnen durchzogen war.
    Ein paar Bänke entfernt saßen Friedrich Kurzbacher und Karl Brunner dicht nebeneinander. Sie waren vermutlich gekommen, weil sich das für Kellernachbarn so gehörte, auch wenn man in Feindschaft gelebt hatte. In der letzten Bank war dann noch eine annähernd kugelige

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