Polterabend
so einen hereinzufallen.« Grete Hahn lachte leise. »Aber wie sie auf den Simon Polt gekommen ist, frag ich mich schon.«
»Ich mich auch.« Polt griff zum Glas und trank. »Kompliziert, das alles, nicht wahr?«
»Noch viel komplizierter. Aber wenn Sie mir erklären können, wie Männer funktionieren, geb ich Ihnen eine Lektion in Frauenkunde. Und wahrscheinlich lügen wir alle zwei wie gedruckt. Also lassen wirs bleiben. Prost!«
Auch Frau Hahn hatte einen gemauerten Herd in ihrer altmodischen Küche. Daneben lagen dicke Scheiter. Polt dachte an das Feuer unter der Herdplatte, hatte den Duft von Äpfeln, Butter und Zimt in der Nase und fühlte sich wohl. Trotzdem hob er unwillig den Kopf. »Leider bin ich im Dienst. Sonst wär ich schon noch geblieben.«
»Ein Jammer, nicht wahr? Und mir fällt nichts mehr ein, das Sie zum Bleiben anregen könnte, dienstlich, mein ich. Aber den Apfelstrudel müssen Sie noch besichtigen.«
»Gern!« Polt stand auf und ging zum Backrohr. Frau Hahn war mit einem Geschirrtuch in der Hand hinter ihn getreten und öffnete. Zwei hellbraun glänzende Strudel schmurgelten in einer blau emaillierten Pfanne vor sich hin. Polt schnupperte. »Eine Pracht!«
»Nicht wahr?« In Grete Hahns Stimme war ein leises Vibrieren. Dann spürte Polt, wie sich ihre Brust an seinen Rücken drängte und ihre Hände seine Hüften umfaßten. »Keine Bewegung«, flüsterte sie, »sonst beiße ich.«
Polt drehte sich hastig um und hatte nun Grete Hahns Gesicht dicht vor seinem. In ihren Augen war ein Ausdruck, der ihn beunruhigte.
»Geh schon, Bubi.« Sagte Frau Hahn. »Geh heim zur Mammi.«
Nachtschatten
Nachdem sich Polt ein paar Schritte vom Haus der Frau Hahn entfernt hatte, blieb er stehen und dachte nach. Er mußte mit Karin Walter reden, hätte es längst tun sollen. Sie wohnte kaum hundert Meter entfernt. Die Tür war verschlossen. Offensichtlich hatte die Lehrerin ihre Grippe halbwegs überwunden und unterrichtete wieder. Vielleicht war sie aber auch nur einkaufen gegangen. Jedenfalls durfte Polt darauf hoffen, daß sie bald nach Hause kam. So war es auch. Er sah Karin um die Ecke biegen, sie lief auf ihn zu, und er nahm sie in die Arme.
»Simon, Lieber! Ich hab mich neulich aufgeführt wie ein pubertierendes Schulmädchen.«
»Die Grippe, nicht wahr? Geht’s besser?«
»Ach was, Grippe, das war einmal. Gehen wir ein Stück? Da redet sich’s leichter.« Die Lehrerin schaute ihn prüfend an. »Du bist rot im Gesicht, Simon.«
»So? Das wird der Wein von der Frau Hahn sein.«
»Du warst bei ihr?«
»Ja, wegen dem Lutzer, und überhaupt.«
»Habt ihr auch über mich geredet?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Wenn die Frau Hahn was kann, dann Kochen und Männer zum Reden bringen.«
»Also gut. Zwei, drei Sätze. Und sie stellt dir das allerbeste Zeugnis aus.«
»In Brunndorf stell nur ich Zeugnisse aus, Simon. Aber im Ernst: Vor vielleicht zehn Jahren hab ich diesen Lutzer einmal persönlich gesehen, in einem Tanzcafe in Breitenfeld, dann nie wieder. Ein paar Meter waren zwischen uns, und bei dieser Entfernung ist es auch geblieben. Meine Schulkinder würden sagen: Ekelstufe vier.«
»Ja, aber warum dann...«
Die beiden hatten das Dorf hinter sich gelassen und folgten einem Güterweg, der den Bahndamm begleitete. Karin schaute über die Felder zur Kellergasse hin. Nur die dunklen Dächer der Preßhäuser waren zu erkennen, die grauweißen Hügel darüber verloren sich im grauweißen Himmel. »Manchmal hab ich’s gerne, wenn es so still und unbelebt ist, Simon, und manchmal hab ich Angst davor. Es wird viel totgeschwiegen hier in unserer Gegend.«
»Also weißt du irgendwas?«
»Ja. Und ich bin völlig ratlos. Einmal hab ich zuwenig geredet in meinem Leben, und jetzt könnte jedes Wort zuviel sein.«
»Auch wenn ich den Gendarmen vergesse?«
»Auch dann. Laß mir Zeit, Simon, bitte.«
»Wie du meinst. Freude hab ich keine damit.«
»Ich weiß.«
Schweigend gingen die beiden zu Karin Walters Haus zurück. »Bis bald, Simon.«
»Hoffentlich, Karin.«
Polt wartete noch, bis sich die Tür hinter ihr schloß. Dann zog er sein neues Mobiltelefon aus der Tasche: Ein Dienstgerät, praktisch, aber auch lästig, weil er so jederzeit und fast überall erreichbar war. Der Gendarm berichtete Harald Mank von seinem Gespräch mit Frau Hahn und davon, daß er noch versuchen werde, den Bruno Bartl zu treffen, vielleicht auch den Kurzbacher. »Im Weinkeller funktioniert übrigens das
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