Polterabend
Handy nicht«, fügte er mit einiger Genugtuung hinzu.
Polt ging zurück zu Frau Hahns Haus, wo sein Fahrrad lehnte, und machte sich, weiße Atemwölkchen vor dem Mund, auf den Weg in die Kellergasse. Zu seiner Freude sah er Kurzbachers Preßhaustür offenstehen, und schon das gelbe Licht dahinter versöhnte ihn mit der Kälte.
Im Keller angelangt, sah er, daß er nicht mehr zu suchen brauchte. Zwischen zwei großen Fässern saßen Friedrich Kurzbacher und Bruno Bartl an einem kleinen Tisch, dicke Styroporplatten unter den Hinterteilen. Polt trat näher. »Na, ihr zwei Halunken!«
Der Weinbauer lud den Gendarmen mit einer sparsamen Handbewegung ein, sich zu setzen, und füllte ein Glas für ihn. »Der Bartl ist ja sozusagen ein alter Bekannter von mir. Und im Keller hat er’s ja doch wärmer.«
Damit war das Wichtigste gesagt, und die drei Männer hoben ihre Gläser. Kurzbachers Keller war groß, doch nicht so geräumig wie zum Beispiel der des Karl Fürnkranz. Es gab keine Ziegelmauern hier, und im Löß waren allzu weite Gewölbe nicht tragfähig. Kein Fachmann hatte je das ideale Maß errechnet, aber es war allmählich gefunden worden und hatte sich Jahrhunderte hindurch bewährt. Es gab allerdings einen Abschnitt der Brunndorfer Kellergasse, der auch von schweren Lastwagen befahren wurde. Dort konnte es schon geschehen, daß Gewölbe einstürzten. Dennoch hatte sich Simon Polt, der von Kind an mit Weinkellern vertraut war, in der dämmrigen Unterwelt immer sicher gefühlt, mehr noch, geborgen. In Friedrich Kurzbachers Keller war er so gut wie zu Hause. Er wußte, wo sich feine Spalten durch den Löß zogen, aus denen sich im Frühjahr dünne Wurzeln zwängten, obwohl der Keller doch gute sechs Meter unter der Erde lag. Polt kannte die Stelle, wo Sickerwasser Mineralien abgelagert hatte und die Kellerwand in kräftigen Rottönen leuchtete, dazwischen schwarz und braun. Auch der Geruch dieses Kellers, anders in jeder Jahreszeit, war ihm vertraut.
Jetzt hielt der Kurzbacher sein Glas gegen das Licht: Ein feiner Schleier lag über dem hellen Grün des Veltliners. »Staubig ist er. Grad recht zum Filtrieren. Eine Jänner-Arbeit. Willst mir helfen dabei, Bruno?«
Bartl, der mit ausdrucksloser Miene dagesessen war, erschrak sichtlich. Polt mußte lachen. »Wie kannst du ihm das antun, Friedrich?«
»War nicht ernst gemeint. Weiß doch jeder, daß er die Arbeit nicht erfunden hat. Aber er paßt schon, unser Bruno.« Kurzbacher trank und schaute zum Kellergewölbe hinauf. »Die Zeit vergeht. In drei Tagen ist Heiliger Abend, Simon.«
»Ja, schon. Aber seit dieser Eisweinlese ist es mit der Adventstimmung so ziemlich vorbei für mich. Du kennst den Fürnkranz ja besser, Friedrich. Was für ein Mensch ist er?«
»Der? Könnt ich nicht sagen. Jedenfalls tüchtig.«
»Und der Martin, sein Bub?«
»Der gerät ihm nach. War gut in der Schule, auch sonst ist er soweit in Ordnung. Mit dem Trinken sollt er aufpassen, mein ich.«
»Das gilt für viele in seinem Alter, Friedrich. Die trinken nicht, weil’s ihnen schmeckt, sondern die saufen wegen der Wirkung und weil sie sich stark vorkommen dabei. Und wir holen sie dann irgendwann verletzt oder tot aus einem Autowrack. Naja. Gibt’s Streitereien zwischen dem Martin und dem Vater?«
»Sie reden wenig miteinander. Wär schon einmal Zeit, daß der Martin aufhört mit dem Herumzigeunern.«
»Und seine Schwester hat weggeheiratet, nicht wahr?«
»Ja, schon vor Jahren. Wer will es ihr denn verdenken, Simon? Wenn die sich einen findet, anderswo... Ist ja nichts los bei uns. In der Kellergasse wird’s auch immer stiller. Ich glaub, ich bin bald der letzte Weinbauer hier.« Kurzbacher füllte die Gläser. »Viele machen jetzt den Wein in der Halle. Alles ganz modern. Aber für mich ist das nichts. Prost miteinander!«
Nach einer Weile stand der Kurzbacher auf. »So, nichts für ungut, Herrschaften, aber ich muß nach Hause, meiner Frau helfen, bei der Weihnachtsbäckerei. Versprochen ist versprochen.«
Polt hob überrascht den Kopf. »Also, da tät ich dir gern zuschauen, Friedrich!«
»Möchte dir so passen! Kosten kannst nachher kommen. Na, Bruno? Was ist mit dir?«
Bartl wollte sich erheben, taumelte aber.
Kurzbacher stützte ihn. »Oje, der hat genug. Hab gar nicht bemerkt, daß er schon so weit ist.«
Polt griff dem Bartl unter die Arme. »Ich bring ihn nach Haus, Friedrich. Sonst rutscht er noch aus, auf dem Glatteis.«
Oben vor dem Preßhaus war es schon
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