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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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Nieselregen, glich er einem Patient, der höchstpersönlich das Eintreffen des Notarztes überwachte. Wahrscheinlich hatte er sich unmittelbar vorher übergeben.
    »Ich habe einen nervösen Magen«, erklärte er, als hätte er meine Gedanken gelesen, während er vor mir die Stufen hinaufkeuchte. »Der reagiert prompt auf den Schreck.«
    Ab dem zweiten Stockwerk verjüngte sich das Treppenhaus zusehends. Hässliche, graugrüne Tünche und abgetretene Steinstufen wichen Teppichboden und glänzenden Kacheln mit frischem, farbenfrohem Design.
    Tilo Martens verjüngte sich nicht, sondern wirkte von Stufe zu Stufe angestrengter. Er schien nicht hierher zu gehören, jedenfalls nicht als Bewohner, sondern wenn überhaupt, dann als ein Hausmeister mit Schlüsselbund und Maßband in der Tasche. Tilo hatte Ähnlichkeit mit seinem Vater, aber nicht, weil er wie dieser eine Jogginghose trug. Die Hose machte eher den Unterschied zwischen den beiden deutlich. An Tilo wirkte sie wie eine Schlafanzughose, sie machte ihn älter, während sie seinen Vater jünger und dynamischer aussehen ließ. Sportlichkeit war heutzutage das, was in der wilhelminischen Zeit militärischer Schneid gewesen war, und die Uniform von heute war der Jogginganzug. Kein Wunder, dass Martens senior sein Söhnchen nicht ernst nahm.
    Wir hatten die Wohnung betreten und standen in einem breiten, mit edlem Parkett ausgelegten Flur, dessen Ende man nicht absehen konnte, weil er nach circa zehn Metern eine sanfte Biegung machte. In den riesigen, trotz des trüben Wetters hellen Räumen schien es kaum Möbel zu geben, aber das sah nur so aus, weil die meisten der teueren Stücke Raum brauchten, um ihre eigene Persönlichkeit zu entfalten. In diesem Domizil konnten eine griechische und eine türkische Großfamilie ohne Probleme in friedlicher Koexistenz nebeneinander leben, wenn sie es sich hätten leisten können. Aber das konnten nur Leute vom Schlage der Martens, die mehr Geld hatten, als sie brauchten, um davon Wohnungen zu kaufen mit mehr Platz, als sie brauchten.
    »Schickes Teil«, staunte ich.
    Tilo war schon vorausgeeilt und stand wartend bei der zweiten Tür, die vom Flur abzweigte.
    »Es ist hier drin…«
    Offenbar war er entschlossen, draußen zu bleiben, um sich und seinem nervösen Magen nicht ein zweites Mal den grausigen Anblick zuzumuten.
    Also schob ich mich an ihm vorbei. Die schwere Eichenholztür öffnete sich fast geräuschlos.
    Der Raum lag im Halbdunkel, weil die wild schwarzweiß gemusterten Vorhänge zugezogen waren. Ihr harter Kontrast beherrschte den ganzen Raum. Weiß gekalkte Wände, schwarzer Teppich mit weißen Mustern auf dem Holzboden. Linker Hand gab eine offene Tür den Blick in ein Badezimmer frei. Auch dort ein Schachbrett auf dem Boden: Weißer Marmor und schwarzer Stein wechselten sich ab. Es gab weiße Becken mit goldenen Armaturen, und schwarze mit silbernen. Feminines und maskulines Design kämpften um die Vorherrschaft.
    Das einzige Bett in dem Schlafsaal war wie ein Stück Kuchen geformt und schmiegte sich mit der Spitze in die rechte hintere Zimmerecke. Ein weißes Laken unter einem schwarzen Bezug. Das Bett war ordentlich gemacht, nur am Fußende ragten seidene rote Hosenbeine eines Schlafanzuges hervor.
    Immer noch verblüfften mich die Ausmaße dieser Wohnung. Nur inzwischen begann ich mich auch zu fragen, wo der Tote lag.
    Die in direkter Nähe am Rheinufer entlangfahrende S-Bahn ließ den Boden leicht erzittern. Ich durchquerte das Zimmer, öffnete die Tür und sah in Tilos ängstliches Gesicht.
    »Was ist jetzt mit der Leiche?«, erkundigte ich mich ungeduldig.
    »Haben Sie sie…« Wie ein Fisch an Land schnappte er mit dem Mund nach Luft.
    »Ich meine, wo ist sie?«
    »Sie ist drüben, in meinem Bett.«
    »Im Bett ist niemand.«
    Tilos Gesicht zuckte. »Sie scherzen!« Er drängte sich an mir vorbei in sein Schlafzimmer.
    »Absolut nicht«, widersprach ich sauer. »Aber ehrlich gesagt, frage ich mich, ob Sie das vielleicht tun. Und wenn ja, warum?«
    Sekunden später stand Tilo Martens fassungslos vor seinem großen, ordentlich gemachten Bett. Er glotzte es an, als sähe er es zum ersten Mal in seinem Leben. Vielleicht hoffte er, die Leiche doch noch zu entdecken, wenn er nur genau genug hinschaute. Sein Gesicht verzerrte sich in Enttäuschung und echtem Schrecken, als sei da nicht kein Toter, sondern mindestens zehn. Sah er wirklich dasselbe wie ich? Wenn nicht, dann war er ein Fall für einen Arzt.
    »Ich

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