Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
Vom Netzwerk:
Tilos Stimme bekam etwas Beschwörendes. Ich mochte der Trottel sein, aber er war ein Spinner mit einem gut sichtbaren Dachschaden. »Ich hatte gedacht, dass wenigstens Sie genauer hinsehen.«
    Ich trat an das Bett und schlug die Decke zurück. Der Seidenschlafanzug war nicht zusammengelegt, wie es sich gehörte. Das Oberteil hatte die Arme ausgestreckt, das Unterteil die Beine. Der Schlafanzug sah aus wie eine Gestalt, die sich dunkelrot vom weißen Laken abhob…
    »Also, ich finde, Sie hätten das tun sollen«, stellte ich fest. »Und zwar, bevor Sie mich angerufen haben. Es tut mir Leid.«
     
     
    Wir stiegen aus der gediegenen Sphäre mit den blitzblanken Kacheln wieder in die normalen Gefilde des Treppenhauses ab. Mattaus Parka hatte den gleichen Farbton wie die abblätternde Tünche.
    »Was haben Sie gegen seinen Vater?«, wollte ich wissen.
    Der Kommissar schnaufte. »Sehe ich so aus, als ob ich ihn kenne?«
    »Das nicht«, musste ich zugeben. »Aber als Sie mir zu ihm gratulierten, hörte es sich danach an.«
    »Sagen wir, ich kannte ihn früher.«
    »Also kennen Sie ihn doch.«
    Mattau blieb stehen, nur um ausgiebig den Kopf zu schütteln. »Früher, habe ich gesagt. Das bedeutet, Kittel, dass ich ihn kannte und dann, eines Tages, nicht mehr.«
    Offenbar war er heute zu Haarspaltereien aufgelegt.
    Wir waren unten angekommen und traten auf die Straße. Inzwischen regnete es in dünnen, kaum sichtbaren Fäden. Die urigen Kneipen und Kioske sahen trostlos aus. Zum Glück hatte ich direkt vor dem Haus geparkt.
    »Ein Wetter, in das man einen Hund hinausjagen möchte«, sinnierte der Kommissar.
    »Sie meinen, keinen Hund. Man möchte keinen Hund hinausjagen.«
    »Oh doch«, setzte er seine Haarspalterei fort. »Anders macht die Redensart keinen Sinn. Im Grunde will jeder jemanden hinausjagen und das hier ist das ideale Wetter dafür. Nur will es keiner zugeben.« Irgendetwas schien ihm heute die Laune verdorben zu haben. »Von Ihnen, Kittel, hatte ich übrigens mehr Professionalität erwartet«, brummte er, während er sich auf den Beifahrersitz zwängte und am Sicherheitsgurt zu schaffen machte. »Wenn so ein grüner Jüngling wie der da oben einem Mordgeschichten auftischt, die er aus irgendeinem Psychothriller hat, dann merkt man das doch.«
    »Sie haben es natürlich sofort gemerkt«, gab ich gereizt zurück.
    »Also gut, Kittel, nicht sofort.« Mattau grinste versöhnlich. »Beim ersten Mal bin ich ihm auch auf den Leim gegangen.« Er angelte mit den Fingern ein Kaugummi aus dem Mund und griff nach dem Aschenbecher. »Kann man das hier irgendwo…«
    »Nicht den Aschenbecher öffnen, bitte!«, warnte ich ihn, so dass er zurückzuckte. »Der Wagen gehört meinem Partner. Wenn Sie die Klappe öffnen, ersticken wir beide.«
    Enttäuscht und ratlos drehte er das klebrige Etwas zwischen den Fingern.
    »Wie war das beim ersten Mal?«, wollte ich wissen.
    »Der gleiche Schauplatz«, grinste er. »Nur nicht im Schlafzimmer, sondern im Flur. Damals hatte man angeblich den Freund seiner Schwester ermordet.«
    »In seiner Wohnung?«
    »Es ist nicht nur seine. Die Schwester wohnt auch da.«
    »Die Tennisspielerin?«
    »Genau. Eine Klassefrau, wenn man Sinn für so was hat. Schon in der Schule hat sie immer nur Einsen geschrieben. Und ihr Typ ist Schriftsteller. So einer, den jeder kennt.«
    »Wer?«
    »Außer mir. Sie wissen doch, Kittel, wann soll ich denn zum Lesen kommen? – Da drüben an der Ecke können Sie mich rauslassen.«
    Ich bremste und hielt in zweiter Reihe. »Und was war passiert?«
    »Nichts. Martens junior wollte den Mord beobachtet haben. Und dann war er sogar im Flur über die Leiche gestolpert. Ehrlich, so wie er das geschildert hat, hat es mir einen Schauer über den Rücken gejagt. Aber dann stellte sich heraus, dass der Schreiberling quicklebendig war!«
    Hinter uns hupte es. Mattau winkte mir zu und ließ die Tür ins Schloss fallen.
    In der winkenden Hand konnte ich kein Kaugummi entdecken, weshalb ich davon ausging, dass er es in seiner Manteltasche hatte verschwinden lassen. Erst als ich an der nächsten Ampel wartete, sah ich, dass er es auf die Ablage geklebt hatte.

6
     
     
     
    Tilo ging mir nicht aus dem Kopf. Er mochte ein Spinner sein, der den Leuten mit erfundenen Horrorgeschichten auf den Wecker fiel, aber hatte er es deshalb verdient, dass wir uns achselzuckend abwandten und ihn stehen ließen? Wäre er der Täter gewesen, wir hätten ihm zweifellos alle verfügbare

Weitere Kostenlose Bücher