Pommes rot-weiß
Aufmerksamkeit geschenkt. So hatte er dagestanden, klein und zerbrechlich, eine Jammergestalt in seinem Jogginganzug, der sackartig an ihm herunterhing, allein gelassen auf diesem Flur, der länger zu sein schien als der Panamerican Highway, allein mit seinen Schwierigkeiten, die nur zu offensichtlich waren.
Der Blick, den er uns hinterhergeschickt hatte, erinnerte mich an den eines Hundes, den man im Tierheim zurücklässt, nachdem man ihm ebenso geduldig wie scheinheilig erklärt hat, dass sein Aufenthalt dort nur vorübergehend sein würde.
Jeder will einen Hund hinausjagen, hatte Mattau behauptet, nur gibt es keiner zu.
Und er hatte Recht damit. Hinausjagen konnte man einen Hund bei jedem Wetter. Warum sollte man es ausgerechnet bei dem Wetter, wo es sich am meisten lohnte, nicht tun wollen?
Richtig war, dass Tilo zu meinem Auftrag gehörte, für dessen Erledigung mir Martens eine Menge Geld zahlte. Aber er bezahlte mich dafür, dass ich herauskriegte, was hinter Tilos scheußlichen Abenteuern steckte, und nicht dafür, dass ich sie mitmachte.
Der Fall Martens schien mir lange nicht so kompliziert zu sein, wie die Honorierung vermuten ließ. Die einzige Schwierigkeit bestand höchstwahrscheinlich nur darin, die rothaarige Melanie dazu zu bewegen, sich mit mir noch einmal zu unterhalten, obwohl ich auf der anderen Seite stand. Wenn es mir gelang, auf sie einen halbwegs politisch korrekten Eindruck zu machen, würde sie mit der Adresse des Mannes herausrücken, der die schwarze Spukgestalt spielte. Dann musste ich mich nur noch mit der Spukgestalt einigen.
Als ich vor Henks Haus stand, war ich erleichtert, die Tür unversehrt und verschlossen vorzufinden. Die Schläger waren also noch nicht hier gewesen. Vielleicht hatten sie das Häuschen einfach nicht gefunden, das sich in einem der zahllosen ungemütlichen Innenhöfe versteckte, umstellt von der Großstadt, klein genug, dass man es in Tilo Martens’ Schlafzimmer unterbringen konnte, direkt neben dem Bett, ohne dabei den Zugang zum Badezimmer zu verstellen.
Dagegen hätte der Krempel, der hier versammelt war, wahrscheinlich selbst die protzige Südstadtsuite überfordert. Henks Unfähigkeit, Dinge wegzuwerfen, stand seiner rätselhaften Begabung im Weg, sich Dinge zuzulegen, die nur zum Herumliegen gut waren. Von seinem letzten Besuch in Amsterdam stapelten sich mindestens vier Paar Holzschuhe in der Ecke, auf denen Windmühlen und mollige Frauen mit Kopftüchern abgebildet waren. Die klotzigen Dinger waren inzwischen in das Verkehrsnetz der Spinnen eingebunden. An den Wänden stritten sich Bilder, die nicht das Geringste miteinander zu tun hatten, um die besten Plätze. Miles Davis musste so nahe an die Mannschaft von Feijenoord Rotterdam heranrücken, dass es aussah, als sei er ein Mitspieler oder der Schiedsrichter, der das Spiel mit der Posaune anpfiff. Relativ neu war ein zum Poster vergrößertes Foto, das Henk und mich während unseres letzten Falles zeigte. Ich trug einen schwarzen Anzug, der mir schon als Zwölfjähriger gepasst hätte, und Henk steckte in einer Kochmontur mit braunen Flecken drauf, die aussahen wie Schokolade, in Wirklichkeit aber von etwas völlig anderem stammten. Wäre es nach Henk gegangen, hätte das Foto, das die Presse untertitelt hatte mit LAUREL & HARDY WIEDER DA!, den Schlussstrich unter unsere Zusammenarbeit gezogen. Aber nachdem ich den Inhaber eines Prominenten-Restaurants dazu gebracht hatte, sich in aller Form bei ihm zu entschuldigen, hatte er seinen Entschluss noch einmal überdacht. Wir machten weiter, allerdings hatte Henk vorgeschlagen, die Agentur umzubenennen in Laurel & Hardy, private Ermittlungen.
Mein Blick ruhte auf diesem Bild und schwelgte eine Weile in Erinnerungen. Er blieb noch etwas länger hängen, allerdings nicht um zu schwelgen, sondern weil ihm etwas merkwürdig vorkam. Nicht nur Henk auf dem Bild, sondern auch das Glas des Rahmens war mit braunen Flecken bekleckert. Ich trat näher. Es erschien mir unwahrscheinlich, dass Henk seine eigenen vier Wände besudelt hatte!
Da waren noch mehr solche Flecken, die, wie ich herausfand, aus brauner Farbe bestanden, sie befanden sich ausschließlich auf Bildern von Henk. Außerdem hatte oben im Schlafzimmer jemand die Schubladen der Kommode auf das Bett entleert. Mir kam das entgegen, vor allem, weil er den Krempel vorsortiert hatte. Auf dem Kopfkissen fand ich einen Stapel Reiseprospekte und einen Reisführer über Ischia, Capri und den Golf von
Weitere Kostenlose Bücher