Ponyhof kleines Hufeisen - 01 - Wolkenmaehne sucht Freunde
Fliegen aus dem Gesicht, die anderen Pferde grasten. Wolkenmähne stand noch immer ein wenig abseits. Ihr goldbraunes Fell schimmerte in der Sonne und der helle Schweif bauschte sich im leichten Wind. So ein schönes Pferd! Sabine musste sie immer wieder anschauen. Aber Wolkenmähne war nicht nur schön, sie hatte etwas in ihrem Wesen, das Sabine lieb gewonnen hatte. Die Stute war scheu, ihre Augen waren oft misstrauisch und abweisend. Aber sie schien es zu mögen, wenn Sabine sich um sie kümmerte.
„Sie freut sich?“, hatte ihre Mutter neulich erstaunt gefragt. „Können Pferde sich denn freuen?“ Und ob sie konnten! Sabine spürte es ganz genau. Woran sie das sah, konnte sie nicht so leicht erklären; aber da waren Wolkenmähnes Augen, die dann nicht mehr so trübe und ängstlich blickten, sondern warm und vertrauensvoll zu glänzen begannen. Ihre Ohren waren nicht mehr drohend nach hinten gelegt, sondern aufmerksam gespitzt, wenn Sabine nach ihr rief. Wolkenmähnes ganze Körperhaltung hatte sich verändert. Die Stute war nicht mehr ständig fluchtbereit, so wie am Anfang, als sie auf den Hof gekommen war. Sie hielt den Kopf nicht mehr krampfhaft hoch erhoben, sondern trug ihn tiefer, und sie atmete auch ruhiger. Noch vor kurzem hatte Wolkenmähne beim Striegeln richtig die Luft angehalten, jetzt stand sie entspannt da, wenn Sabine sie putzte.
Sabine fuhr herum. Vor ihr stand ein hoch aufgeschossener Junge mit blonden Haaren und vielen Sommersprossen. Um seinen breiten Mund lag ein kleines Lächeln. „Ich bin Stefan“, sagte er. „Hat dir Cornelia nicht von mir erzählt? Ich werde hier arbeiten!“
Sabine nickte. „Ja, aber ich wusste nicht, ob du auch wirklich kommen würdest!“
„Na klar! Ich hab’s doch versprochen! Ohne Pferde fühle ich mich nicht wohl.“
„Dein Großvater hat Pferde?“
„Ja, er züchtet Holsteiner. Ich wollte nicht gern umziehen“, sagte Stefan, und seine Stimme klang bedrückt. „Aber mein Vater hat eine Arbeit in
Rosenheim bekommen, und da mussten wir eben mit!“ Er verstummte.
Sabine wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. „Gefällt es dir hier?“, fragte sie schließlich.
„Es geht so“, antwortete Stefan. „Die Landschaft ist schön, ich mag die Berge ...“ Sabine sah, dass er zögerte. „Aber die Bayern“, brach es dann aus ihm heraus, „die sind nicht immer sehr freundlich. Saupreiß nennen sie mich in der Schule. Nur weil ich nicht bayerisch rede.“ Er deutete zu den Pferden. „Die sind nicht so. Sie mögen jemanden, wenn er nur gut zu ihnen ist. Egal ob man bayerisch kann oder nicht.“
„Stimmt“, Sabine nickte. „Soll ich euch mal bekannt machen?“
Stefan nickte, und die beiden schlüpften unter den Koppelstangen durch. Nacheinander gingen sie zu den Pferden. „Und das hier ist Wolkenmähne“, sagte Sabine zum Schluss.
Die braune Stute hatte den Kopf gehoben und sah Stefan misstrauisch an.
„Sie ist scheu!“, stellte Stefan fest. Er stand ganz ruhig da.
„Ja“, sagte Sabine. Sie erzählte Stefan Wolken-mähnes Geschichte.
Die Stute senkte den Kopf und kam langsam auf die beiden zu. Sie machte leise brummelnde Laute und schnoberte an Sabines Haaren. Langsam ließ Sabine ihre Hände über Wolkenmähnes
Rücken gleiten. Am Bauch war sie kitzlig, das wusste Sabine und war dort vorsichtig.
„Das mag sie“, bemerkte Stefan. „Guck mal, wie sie die Augen schließt und sich entspannt.“ Sabine kraulte Wolkenmähne hinter den Ohren und am oberen Halsbereich. Die Stute prustete leise. Sie lernte auf dem Ponyhof, dass Menschen nicht immer nur reiten wollen. In Island war sie wohl nur zum Verkauf fertig gemacht worden. Es hatte sich niemand Zeit genommen, sich richtig mit ihr anzufreunden, ihr Vertrauen zu gewinnen. Das hatte ihr ganzes Verhalten bei der Ankunft auf dem Hof ausgedrückt.
„Kann ich sie anfassen?“, fragte Stefan.
„Probier’s mal“, meinte Sabine und blieb neben Wolkenmähne stehen.
Aber sobald Stefan sich der Stute näherte, legte sie die Ohren zurück und hob misstrauisch den Kopf. Stefan blieb stehen. „Muß ja nicht sein“, sagte er ruhig. „Du kennst mich noch nicht. Wir haben Zeit!“
Sabine schlug vor, mit Wolkenmähne spazieren zu gehen.
„Aber immer doch“, sagte Stefan zu ihrer Verwunderung. Ein Junge, der nicht nur reiten, sondern mit einem Pferd spazieren gehen wollte! Das hatte sie noch nicht erlebt.
„Das macht Opa auch immer. So gewöhnen sie sich an die Umgebung und werden
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