Ponyhof Kleines Hufeisen - 04 - Der Ritt zum Pferdefest
Jackentasche und ging auf das große Tor zu. Der Riegel war mit einem Vorhängeschloß gesichert. Stefan versuchte, den Schlüssel zu drehen, aber es ging nicht. „Eingerostet“, stellte er fest und schimpfte leise vor sich hin, während er es noch einmal versuchte.
„Vorsicht!“ warnte Sabine. „Brich bloß den Schlüssel nicht ab! Hast du kein Öl an deinem Moped?“
„Doch! Daß ich nicht selbst daran gedacht habe!“ Stefan lief zu seinem Moped und holte ein kleines Fläschchen mit Öl aus der Packtasche. Endlich drehte sich der Schlüssel knirschend im Schloß, und sie öffneten einen Flügel des Scheunentors. Der dumpfe Geruch modrigen Heus schlug ihnen entgegen. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie sahen Gartengeräte, Eimer und einen Schubkarren, sowie aufgestapelte Heuballen, die durch eine undichte Stelle im Dach feucht geworden waren.
„Ich sehe keine Kutsche“, sagte Stefan enttäuscht.
Ob der alte Mann sich nicht mehr genau erinnerte? Hatten seine Verwandten vielleicht die
Kutsche mitgenommen und verkauft, so wie den Hausrat?
Stefan schob nun auch den anderen Torflügel zurück, damit sie besser sehen konnten.
„Komm, wir gehen mal in den hinteren Teil der Scheune!“ schlug Sabine vor. In einer dunklen Ecke sah sie etwas Großes, Unförmiges, das unter einer schmutzigen Plane verborgen war. „Stefan, das muß die Kutsche sein!“ rief Sabine aufgeregt. Sie lief hinüber und begann hastig, mit ungeschickten Bewegungen, an der Plane zu ziehen.
„Das glaube ich nicht. So groß ist doch kein Einspänner für ein Shetlandpony!“ wandte Stefan ein.
Aber Sabine hörte ihm gar nicht zu. Schon hatte sie die Plane heruntergezogen. „He, Stefan! Schau dir das an!“
Vor ihnen stand ein verstaubter kleiner Einspänner, dessen einstmals rote Farbe abgeblättert war, und dessen Radspeichen voller Spinnweben waren. Neben dem kleinen Gefährt stand ein wunderschöner alter Holzschlitten mit gebogenen Kufen und einer Deichsel für zwei Pferde.
Stefan fuhr prüfend mit dem Finger über die kleine Kutsche. „Sie muß gründlich abgeschmirgelt und dann neu gestrichen werden“, stellte er fest. „Eine Sauarbeit! Würde sich aber lohnen!“
„Die Sitzpolster sollten auch neu bezogen werden!“ Sabine untersuchte die Polster, die zahllose Löcher aufwiesen und ganz fleckig waren. „Da sind die Motten drin!“ rief Sabine. „Mit etwas Aufpolstern und neuem Bezug könnte das wieder wie neu werden. Nur - wer macht so etwas? Und das kostet ’ne Menge!“
„Stimmt!“ Stefan wandte sich dem Schlitten zu. „Aber dieser alte Schlitten ist wunderschön! Ob die Hubers mit dem früher gefahren sind? Der Alte hat den Schlitten gar nicht erwähnt!“ „Ein Zweispänner“, sagte Sabine begeistert. „Cornelia könnte die Haflinger einspannen und mit ihnen zu Weihnachten durch den Wald fahren! Mit Glöckchen am Geschirr!“
„Sabine!“ Stefan knuffte sie in die Seite. „Du spinnst ja total! Wir wissen nicht einmal, ob die Haflinger eingefahren sind!“
„Denk doch mal positiv! Von wegen spinnen! Wer wollte denn da mit Max und seiner Kutsche auf den Leonhardi-Ritt? Mir ist das nicht eingefallen, das war deine Idee!“
„Na gut“, Stefan grinste. „Ich geb’ es ja zu, ich spinne auch. Manchmal jedenfalls, wenn’s um die Pferde geht! Jetzt sehe ich hier erst einmal eine Menge Arbeit für uns beide!“
„Wann kannst du die Farbe besorgen? Oder soll ich das machen?“ wollte Sabine wissen. „Morgen! Wir sollten uns so bald wie möglich
an die Arbeit machen. Es ist wichtig, daß wir mit Max auf dem Ponyhof Fahren üben würden. Es ist lange her, daß er vor einer Kutsche gegangen ist!“
Sabine wußte, daß Stefan recht hatte. Sie nahm die Polster vom Kutschbock und von den Sitzen, um sie mit nach Hause zu nehmen. Die Mutter war sehr geschickt, vielleicht konnte sie sie selbst aufpolstern und neu beziehen. Sie wollten gerade gehen, da fiel Sabine ein, daß sie das Geschirr noch nicht gefunden hatten. „Max braucht sein Geschirr, um die Kutsche ziehen zu können!“
„Es muß hier irgendwo sein!“ Stefan sah sich um. „Wenn die Kutsche noch da ist, gibt es bestimmt auch noch ein Geschirr für Max!“
Sie suchten und suchten, aber sie konnten kein Geschirr finden. Draußen senkte sich die Dämmerung herab, es wurde spürbar kälter. „Es hat keinen Sinn“, meinte Stefan schließlich. „Vielleicht ist das Geschirr gar nicht mehr in der
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