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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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deine Idee finde ich gut. Wir sollten aber etwas
Außergewöhnliches aus der Taufe heben, etwas
Anspruchsvolles, großes Puppentheater eben!«, hatte
Frieda sich ereifert und ihren Vorschlag damit untermauert, dass
sie der Freundin den Rest des Abends von einem Besuch bei ihrer
Schwester in Stuttgart vorschwärmte. Dort hatte sie den
berühmten Marionettenspieler Albrecht Roser spielen
gesehen.    
    »Der hat den
Clown Gustav kreiert, eine Holzpuppe mit legendärer
Beweglichkeit. Wenn du gesehen hättest, wie die Klavier
spielt, du hättest geglaubt, sie lebt.«
    »Jetzt
übertreibst du aber wieder maßlos,
Frieda!«
    »Nein, ehrlich,
Hanna! Die Puppe hat eine Seele!«
    »Ich kenne nur
das Puppenspiel vom Doktor Faust, das wurde damals in meiner Schule
aufgeführt. Darin will der Mephistopheles dem Hanswurst seine
Seele abschwätzen. Rat mal, was der Hanswurst darauf gesagt
hat?«
    »Na?«
    »›Leute,
der Trottel will meine Seele, obwohl ich nur eine aus Holz
geschnitzte Puppe bin! Das zum Thema
Seele!‹«
    »Das ist doch
nur ein dummer Scherz! Ob du es nun glaubst oder nicht, es gibt
Puppenspieler, die ihren Puppen eine Seele einhauchen können.
Und deswegen wird es mit mir nur ein Puppenspieler-Festival geben,
wenn wir Puppenspieler mit dieser Qualität nach Husum
holen!«
    Hanna Lechner steigt
die mit Jugendstilornamenten verzierte Holztreppe zum Lehrerzimmer
im zweiten Stock hinauf. Die Zeit, als sie mit Frieda ihre Idee des
Festivals in Husum an den Mann bringen wollte, steht ihr noch
lebhaft vor Augen. An den Mann bringen war dabei im wahrsten Sinne
des Wortes gemeint, denn egal, in welche Behörde sie damals
kamen und egal, welches Dienstzimmer sie betraten, überall
saß einer dieser geschniegelten Beamten. Alle schauten
interessiert, wenn sie von ihrem Projekt erzählten,
schüttelten am Ende aber mit dem Kopf. Sie marschierten von
Pontius zu Pilatus und wieder zurück, sammelten nebenbei die
ersten Spenden, suchten nach brauchbaren Räumen zu annehmbaren
Konditionen, rekrutierten die ersten ehrenamtlichen
Mitstreiterinnen – denn seinerzeit wollte keiner der
Männer mit Puppenspiel in einen Topf geworfen werden. 1979
gründeten sie endlich den Förderverein ›Husumer
Figurentheater‹.    
    Eine verrückte
Zeit war das, denkt sie stolz. Aber im Nachhinein hat es sich
gelohnt, was allein die Anzahl der Besucher beweist, die jedes Jahr
aus ganz Norddeutschland nach Husum kommen. Nur die
Meinungsverschiedenheit mit Frieda besteht bis heute weiter. Ich
möchte möglichst viel Puppenspiel für Kinder und
Frieda lieber dieses anspruchsvolle Figurentheater für ein
künstlerisch interessiertes Publikum.
    »Auf ein Wort,
Hanna!«
    Die Frauenstimme im
Rücken reißt Hanna Lechner abrupt aus ihren
Erinnerungen. Sie dreht sich etwas zu überstürzt herum
und wäre beinah auf der glatten Stufe gestrauchelt.
    »Vorsicht!«, warnt die
Stimme, und die Lehrerin spürt eine Hand, die ihren Oberarm
stützt. Erst jetzt erkennt sie Helga Anklam, die neue
Geschichtslehrerin.
    »Das wäre
ja beinah schiefgegangen, Helga«, sagt Hanna Lechner und
nickt der Kollegin dankend zu. »Du möchtest mich
sprechen?«
    »Ja, schooon,
Hanna! Obwohl mir bei der Sache nicht so ganz wohl ist!«,
sagt die etwas beleibte Frau zögerlich, die trotz ihres noch
jungen Alters das blonde Haar zu einem biederen Knoten festgesteckt
hat.
    »Nun lass dieses
Rumgeeiere, Helga!«, treibt Hanna Lechner ihre Kollegin
an.
    »Du kennst doch
Peter, Peter Ørsted!«
    »Selbstverständlich,
der Junge hatte grade bei mir Ethikunterricht!«
    »Also, dieser
Peter Ørsted war vor zwei Tagen bei mir und machte
verschwommene Andeutungen über den
Sportlehrer.«
    »Florian Werner?
Der ist unser Englischlehrer, Sport unterrichtet der nur im
Nebenfach!«
    »Egal, um den
geht es! Also, der Ørstedjunge druckste ziemlich rum bei
mir, meinte, er hätte da was beobachtet. Erst als ich ihm
zusicherte, ich würde alles vertraulich behandeln, rückte
er mit der Sache raus. Im Umkleideraum der Mädchen soll Werner
sich einer Schülerin genähert haben.«
    »Wahrscheinlich?
Was soll das heißen? Und was hat der Junge im Umkleideraum
der Mädchen zu suchen?«
    »Deswegen wollte
er auch erst nichts sagen. Ich nehme an, es handelt sich um das
übliche pubertäre Gespanne. Er behauptet natürlich,
nur zufällig durch die offene Tür geguckt zu
haben!«
    »Und was will er
nun konkret gesehen haben?«
    »Nun, der
Kollege soll so etwas wie eine Art sexuelle

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