Poppenspael
vorbeikann. Der versetzt seinem Kollegen
im Vorbeigehen einen leichten Klapps auf die Schulter, durchquert
das Wohnzimmer und tritt in den Eingangsbereich der Villa hinaus.
Der verglaste Vorraum gleicht einem Atrium. Eine freischwebende
Holztreppe schwingt sich ins obere Stockwerk. Aus einer offenen
Tür hört der Hauptkommissar Silvia Hamans Stimme und
hält schnurstracks darauf zu. Die Kollegin steht mit den
Hausbesitzern vor einem massiven Küchentisch. Der untersetzte
Mann hat eine Glatze, ein rundes Gesicht und trägt eine Brille
mit feinem Goldgestell. Swensen schätzt ihn auf Ende 50. Die
Frau erscheint ihm auf den ersten Blick wesentlich jünger,
aber das platinblonde Haar könnte täuschen, zumal es
offensichtlich gefärbt ist.
»Herr und Frau
Ketelsen sind heute aus dem Urlaub zurückgekommen«,
informiert Hauptkommissarin Haman, »und haben ihr Haus in
diesem …«
»Ja, das war ein
gewaltiger Schock!«, unterbricht der Mann. »Wir waren
beide fassungslos! Haben sofort die Polizei
angerufen!«
»War es ein
längerer Urlaub?«, fragt Swensen.
»Das ist doch
wohl unsere Privatsache!«, ereifert sich Herbert Ketelsen und
guckt den Hauptkommissar argwöhnisch an. »Was hat die
Länge meines Urlaubs mit diesem Einbruch zu
tun?«
»Zum Beispiel,
ob ein Einbrecher am vollen Briefkasten erkennen konnte, wie lange
das Haus nicht bewohnt war!«, entgegnet Swensen mit ruhiger
Stimme.
»Drei
Wochen«, gibt der Mann kleinlaut bei. »Aber wir
können es immer noch nicht fassen, dass hier ein wildfremder
Mensch in unser Haus eingedrungen ist. Da liegen die Nerven schon
mal blank, Herr Kommissar! Das mit dem vollen Briefkasten kann aber
nicht sein, Freunde haben regelmäßig nach dem Haus
geschaut.«
»Sehen Sie, Herr
Ketelsen, das hilft uns schon weiter«, sagt Swensen
versöhnlich. »Wir brauchen Ihre volle
Unterstützung, jedes noch so kleine Detail kann wichtig sein.
Sie haben keine Alarmanlage?«
»Nein, wer
hätte denn so etwas ahnen können. Unser Häuschen
steht am Dorfrand. Hier ist noch nie etwas
weggekommen.«
Häuschen ist wohl
leicht untertrieben, denkt Swensen und registriert nebenbei die
teure Kücheneinrichtung. »Einmal ist immer das erste
Mal! Waren kurz vor Ihrem Urlaub noch Fremde im Haus, Handwerker,
Vertreter?«
»Nein, nicht,
dass ich wüsste! Elisabeth, waren Vertreter
hier?«
»Nein, das
Grundstück liegt so abseits, hier kommen nur ganz selten
Vertreter vorbei.«
»Was ist mit
Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis?«
»Der ist
selbstverständlich über jeden Verdacht erhaben, Herr
Kommissar. Außerdem möchte ich nicht, dass die Polizei
unnötig bei meinen Freunden auftaucht.«
»Haben Sie schon
überprüft, was bei dem Einbruch alles abhanden gekommen
ist?«
»Der Schmuck
meiner Frau ist weg, glücklicherweise ist nichts
übermäßig Teures darunter, alles nur gute
Imitationen«, antwortet Ketelsen, ohne zu zögern.
»Aber dafür ist die gesamte Münzsammlung
verschwunden, alles seltene Goldmünzen aus
Tunesien.«
»Gibt es Fotos
von den Münzen?«
»Nein, aber ich
habe einen Katalog! Da sind etliche Münzen mit Abbildung
aufgeführt!«
»Den Katalog
müssten wir haben. Wenn Sie uns die einzelnen Abbildungen
bitte markieren würden.«
»Einen Moment,
ich bin gleich zurück«, sagt Ketelsen und stürmt
hastig aus dem Raum.
»Das ist alles
so schrecklich«, klagt die Frau. »Wir waren doch nur
drei Wochen weg. Wie soll ich bloß in diesem Haus
weiterleben? In diesen Räumen kann ich mich nie mehr sicher
fühlen!«
Ihr Gesicht wirkt
plötzlich aschgrau und eingefallen. Sie blickt mit
wässrigen Augen hilflos in die Runde. Silvia Haman ist der
Gefühlsausbruch der Frau sichtlich unangenehm. Sie steht einen
Moment stocksteif da, geht dann aber auf die schmächtige Frau
zu, um sie etwas unbeholfen an ihre breiten Schultern zu
drücken.
»Wenn Wildfremde
in die Privatsphäre eindringen, kann das häufig schwere
emotionale Folgen haben. Sollte Ihre Angst in den nächsten
Tagen nicht verschwinden, wäre es gut, sich professionelle
Hilfe zu holen!«, redet die Hauptkommissarin tröstlich
auf die Frau ein.
Er schaut etwas
verlegen auf die Szene. Das hätte er seiner Kollegin gar nicht
zugetraut. Normalerweise ist sie im Dienst grundsätzlich eher
distanziert. Er findet die Situation plötzlich zu intim und
zieht sich aus der Küche zurück. Der Hausherr stürmt
gerade die Treppe herunter und hält ihm den aufgeschlagenen
Münzkatalog entgegen. Mit dem Zeigefinger deutet er auf
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