Poppenspael
eine
größere Abbildung, auf der die Vorder- und
Rückseite einer Münze gezeigt
wird.
»Das ist eine
20-Franc-Goldmünze aus Tunesien, 1904 geprägt. Damals
stand das Land noch unter französischem Protektorat. Die
Münze stammt aus dem Beuteschatz tunesischer Seeräuber
– das hat mir mein Händler versichert. Das Stück
hat vor zehn Jahren 180 DM gekostet, der heutige Wert dürfte
bei zirka 150 liegen.«
»So genau
brauchen wir das nicht zu wissen, Herr Ketelsen. Es reicht, wenn
Sie uns eine Auflistung der Münzen machen, mit ihrem heutigen
Wert.«
»Das kann etwas
dauern. In der Sammlung waren über 250
Münzen.«
»Je schneller,
umso besser!«
»Das muss
hoffentlich nicht sofort sein? Wir müssen uns erst mal darum
kümmern, hier wieder alles in Ordnung zu
bringen!«
»Selbstverständlich
können Sie hier erst Ordnung schaffen, Herr Ketelsen! Ich
wollte nur betonen, dass die Liste für unsere Fahndung eine
gewisse Priorität besitzt«, drängelt Swensen.
»Zum Abschluss habe ich noch eine persönliche Frage: Was
machen Sie beruflich?«
»Ich bin
Geschäftsführer und arbeite in einer Getreidehandelsfirma
in Husum!«
»Geht das etwas
genauer, bitte!«
»Kraftfutter
GmbH, Gebrüder Asmussen!«
»Sie sind der
Geschäftsführer? Wofür steht Gebrüder
Asmussen?«
»Dieter und
Rudolf Asmussen. Die beiden Brüder haben die Firma vom Vater
übernommen und sind für die strategische Ausrichtung
zuständig. Sie betreuen nur Großkunden und schaffen die
nötigen Kontakte im Ausland. Im Moment erleben wir zum
Beispiel ein Aufblühen der alten Seidenstraße. Es gibt
einen regen Getreide- und Futtermittelhandel über die
lettischen Hafenstädte Liepaja, Riga und
Ventspils.«
»Gab es vor
Kurzem Veränderungen im Betrieb? Mussten Leute entlassen
werden?«
»Nein, zumindest
nichts Dramatisches.«
»Mich
interessiert auch weniger Dramatisches, Herr
Ketelsen.«
»Aber es ist
nicht der Rede wert. Zumal es sich alles am Ende in Luft
aufgelöst hat.«
»Was hat sich in
Luft aufgelöst? Nun lassen Sie sich nicht alles aus der Nase
ziehen!«
»Wir hatten
einen kurzen Disput mit unserem ehemaligen Buchhalter. Aber der
Mann ist garantiert nicht zu einem Einbruch
fähig.«
»Um was für
einen Disput ging es denn?«
»Der Mann stand
kurz vor der Rente. Wir waren gezwungen, ihn in den vorzeitigen
Ruhestand zu schicken, mit etwas Nachdruck
sozusagen.«
»Was ist
darunter zu verstehen?«
»Nun, der Mann
war dem rasanten Arbeitstempo, besonders den neuen
Herausforderungen im Betrieb nicht mehr gewachsen. Zuerst wollte er
uns vors Arbeitsgericht zitieren. Nach einem großzügigen
Angebot unserseits trennten wir uns von Herrn Butzke im
gegenseitigen Einverständnis. Wir haben danach eine junge
Kraft eingestellt.«
»Danke, Herr
Ketelsen. Ich hab im Moment keine weiteren Fragen. Wenn Ihnen noch
etwas einfällt, können Sie mich jederzeit bei der Husumer
Polizei anrufen.«
*
Hamburger
Schmuddelwetter. Feiner Nieselregen lässt die Gehwegplatten
glänzen. Marcus Bender drängelt sich durch die Menschen
in der Fußgängerzone, erreicht den Eingang des Altonaer
Bahnhofs und ist endlich im Trockenen. Der Anorak ist von innen
bereits klamm. Ein Blick auf die Anzeigentafel sagt ihm, dass der
Regionalzug nach Husum auf Gleis sieben abfährt. Der
große, hagere Mann umklammert den Griff seines Lederkoffers.
Er verspürt eine unbestimmte Angst, jemand könne im
letzten Moment sein Gepäckstück wegreißen und mit
dem wertvollen Inhalt in der Menge verschwinden.
Nicht auszudenken! Die
Arbeit von mehreren Jahren, seine gesamte Anstrengung wäre
schlagartig für die Katz.
Der Mann schaut sich
vorsichtig um. Nichts Außergewöhnliches zu entdecken.
Alles scheint irrational, völlig unbegründet. Dennoch
presst er den Koffer mit beiden Händen fest vor die Brust und
hastet in Riesenschritten unter der Überdachung des
Kopfbahnhofs zum richtigen Bahnsteig hinüber. Vorn, kurz vor
dem Prellbock, steht eine Diesellok, die Front verschmiert mit
Rußpartikeln, und dröhnt monoton im Leerlauf. Die
Strecke nach Husum gehört zu den wenigen in Deutschland, die
noch nicht elektrifiziert ist. Während Marcus Bender an der
dunkelgrünen Schlange der Waggons entlangeilt, tritt der
Schreck von eben in den Hintergrund.
Jetzt ist es bald so
weit, denkt er voll Vorfreude und schaut liebevoll auf den Koffer.
Übermorgen wird meine nagelneue Handpuppe das erste Mal auf
einer öffentlichen Bühne zum Einsatz kommen.
Die ganze letzte
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