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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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gestrichen. Die Arbeit wird von den Kollegen der
Schutzpolizei mit erledigt.
    Noch knapp ’ne
halbe Stunde, denkt sie beim Blick auf die Uhr, dann beginnt der
Urlaub. Eine Woche ehrenamtlich auf den
Pole-Poppenspäler-Tagen. Sie spürt dennoch, dass die
gewohnte Vorfreude auf die turbulente Zeit in diesem Jahr
getrübt ist. Sie schließt die Augen.
    »Was, du willst
wieder eine ganze Woche Urlaub für diesen Puppenspielerkram
verplempern?«    
    Sie sieht, wie Frank
mit verschränkten Armen vor ihr steht.
    »Was heißt
denn hier verplempern? Beschwer ich mich etwa, wenn ich mit dir am
Wochenende auf irgendeiner deiner beknackten Lan-Partys
rumhänge?«
    »Da geht
zumindest was ab!«
    »Meinst du etwa
deinen Ego-Shooter-Mist? Erwachsene Menschen sitzen stundenlang vor
einem Computer und ballern auf alles, was sich auf dem Bildschirm
bewegt!«
    »Jedenfalls
besser als Erwachsene, die sich Kasperle-Theater
angucken!«
    »Immer noch
tausend Mal lebendiger, als stumpfsinnig hinter diesem toten Kasten
zu hocken!«
    »Tot, du hast
keine Ahnung! Ich sag dir, in 30 Jahren wird die
Speicherkapazität eines Computers einem menschlichen Gehirn
entsprechen. Für so was hat die Evolution 3,5 Milliarden Jahre
gebraucht, meine Liebe!«
    »Kein Wunder,
dass du so schwer von Kapee bist!«
    »Das muss mir
gerade eine Blondine sagen!«
    »Jetzt
reicht’s, Frank, du kannst dir eine andere Schlampe suchen,
die dir deinen Computer-Scheiß
hinterherträgt.«
    Selbst nach zwei
Wochen tobt der Streit mit Frank noch in ihrem Kopf. Sie hört
ihn selbst jetzt, nachdem die Arbeit beendet ist, sie den Chef noch
mal an ihren Urlaub erinnert hat und nun fluchtartig die Stufen der
Polizeiinspektion hinunterstürmt. Die schräge Sonne
strahlt ihr ins Gesicht, versucht, ihre trübe Miene zu
erhellen. Doch der jungen Frau ist zum Heulen. Sie presst die
vollen Lippen so fest zusammen, dass sie bleich werden. In zehn
Minuten ist sie mit Ronja Ahrendt vor dem Husumer Schloss
verabredet, um gemeinsam zum Poppenspäler-Museum zu gehen, wo
heute Abend das letzte Organisationstreffen vor Festivalbeginn
stattfindet.
    Du solltest dich
langsam wieder einkriegen, denkt die Sekretärin und schlendert
am Binnenhafen entlang. Hier ist es gerammelt voll mit Touristen,
die vor den bunten Giebeldachhäusern an Tischen hocken und
Kaffee trinken oder Eis essen. Es herrscht Ebbe. Das
zurückgezogene Wasser hat das alte Ziegelsteingewölbe der
Kaimauer freigegeben. Die vielen Segel- und Motorboote liegen auf
grauem Schlick im Hafenbecken.
    Susan Biehl trottet
über die Schiffsbrücke und durch die enge Twiete zum
Marktplatz hinauf. Am Torbogen des alten Rathauses steht ein Teenie
mit roter Strähne im Haar und tippt eine SMS in sein Handy.
Die alltägliche Szene springt sie förmlich an, versetzt
ihr einen Stich in die Brust. Sie merkt, wie ihre angestaute Wut
auf Frank wieder hochkocht, kann nicht fassen, wie er mit ihr
Schluss gemacht hat. Eiskalt per SMS, mit den schnöden Worten:
Wir sind ab heute getrennt, ruf nicht mehr an, Frank.
    Fünf Jahre
Zweisamkeit, und dann so was! Zuerst hatte die Nachricht sie ins
Nichts gestürzt. Dann warf sie den Küchenstuhl mit voller
Wucht an die Wand. Später war sie sich nicht mehr sicher, ob
sie es auch wirklich gemacht hatte. Sie rief bei Frank an, er ging
nicht an sein Handy. Sie fuhr zu seiner Wohnung, er machte nicht
auf. Abends brannte kein Licht in seinen Fenstern. Es sah so aus,
als wäre er ausgezogen. Auf der Arbeitsstelle ließ er
sich verleugnen. Nach vier Tagen resignierte sie, nach eineinhalb
Wochen gab sie endgültig auf, ohne Erfolg hinter ihm her zu
rennen.
    Der Stachel sitzt
immer noch tief, erkennt sie und würgt ihren Gedanken sofort
wieder ab. Hoffentlich läuft mir Frank nicht über den
Weg, ich könnte für nichts garantieren.
    Susan Biehl hat das
Ende vom Schlossgang erreicht. Hier steht die hüfthohe
Bronzeskulptur einer Tonne, in Ringe zerlegt und in die Länge
gezogen. Seit Jahren ist sie achtlos daran vorbeigegangen, heute
scheint das Kunstwerk ihr etwas sagen zu wollen: Ich bin wie dein
fragiler Gemütszustand, innerlich zerteilt und aus der Form
gebracht.
    Nachdenklich
überquert die Sekretärin die Schlossstraße, geht am
frisch weißgetünchten Torhaus vorbei und rechts den Weg
zum Schloss hinauf. Die Sonne wird bald hinter den Horizont
versinken, die letzten Strahlen ereichen noch das Gebäude. Der
Schlosshof liegt bereits im Schatten. Vor dem Hauptturm parkt
einsam ein weißer Kleinbus.
    Ronja

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