Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
Allerdings solltest du nicht glauben, dass irgendeine Hilfe
ihn dazu bringen könnte, sein Leben zu
verändern.«
    »Schrecklich,
jetzt fühl ich mich gänzlich durcheinander!«,
stammelt Petra Ørsted. »Irgendwie ist mein Mann nicht
anders als mein Bruder. Sören verlässt sich darauf, dass
ich das Geld ranschaffe. Wenn unsere Kinder nicht wären,
hätte ich die Brocken bestimmt schon hingeschmissen. Und jetzt
auch noch dieser beknackte Vertreterjob, den er seit drei Monaten
angenommen hat. Eine völlig spinnerte Idee, die ganze Sache!
Welcher Mensch braucht Nahrungsergänzungsmittel, wenn er genug
zu essen hat? Die meiste Zeit sitzt er nur zu Hause rum und
telefoniert das Telefonbuch rauf und runter, um mit wildfremden
Leuten einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Wenn das nicht
gleich nach dem vierten Mal klappt, hat er keine Lust mehr und
macht erst am nächsten Tag weiter. Was soll ich denn
bloß machen?«
    »Wir haben noch
fünf Minuten«, erinnert Anna Diete.
    »Ich hab mir
überlegt, ob ich nicht einen Waffenschein beantragen
sollte.«
    »Einen
Waffenschein?« Anna Diete kann den abrupten Themenwechsel
nirgends einordnen. »Fühlst du dich
bedroht?«
    »Nein,
eigentlich nicht!«
    »Und
uneigentlich?«
    »Wegen meinem
Steuerbüro«, formuliert sie vage, möchte nichts
über ihre Angst sagen, die durch einen Anruf der Firma
Asmussen ausgelöst wurde, und die sie sich wahrscheinlich nur
einbildet. »Da liegen nicht selten hochsensible Akten herum,
und außerdem habe ich einen Safe.«
    »Ist da so viel
Geld drin?«
    »Nein, nicht
immer, aber bald wieder! In den nächsten Tagen werden die
Einnahmen der Pole-Poppenspäler-Tage über Nacht dort
zwischengelagert. Der Vorstand hat mich gebeten, ob ich die Gelder
der Abendkassen nicht in meinem Safe unterbringen
könnte.«
    »Über den
Waffenschein reden wir am nächsten Freitag«,
schließt Anna Diete die Stunde ab, wartet, bis ihre Klientin
aufsteht, begleitet sie zur Tür und reicht ihr die Hand zum
Abschied.
    Wie kommt sie nur auf
diese abstruse Idee mit dem Waffenschein, fragt sich die
Psychologin. Da steckt doch mehr als das Steuerbüro
dahinter.
    Sie geht zum
Schreibtisch. Ein Blick auf die kleine Uhr besagt, dass die
nächste Klientin erst in einer halben Stunde kommt. Anna Diete
setzt sich an den Schreibtisch, überschlägt
routinemäßig den Ablauf des Gesprächs und macht
sich einige Notizen.
    Ob ich kurz Jan
anrufe, geht es ihr durch den Kopf. Heute ist Freitag. Sicher ist
sicher, bevor er wieder den Termin verschwitzt.
    Sie nimmt das Telefon
von der Station, sucht die Speichernummer von Jan Swensen und
drückt die Taste. Aus langjähriger Erfahrung weiß
sie, dass ihr obligatorisches Freitagsessen bei ihm öfter im
Berufsalltag auf der Strecke bleibt. Sie hört auf das
Klingelsignal am anderen Ende der Leitung und ihr kommt das
folgenreiche Seminar an der Uni Hamburg in den Sinn, Thema:
posttraumatische Belastungsstörungen. Ein schlanker
Kripobeamter mit lichten Haaren setzte sich im Hörsaal
auffällig neben sie. Drei Monate zuvor hatte sie ihre
psychologische Praxis in Witzwort aufgemacht. Sie kamen ins
Gespräch, und am Ende gab sie dem Kommissar mit
posttraumatischen Anzeichen eine private Krisenintervention mit
Flirteinlagen und die Adresse einer Kollegin. Jan Swensen war
sozusagen ihr erster, wenn auch inoffizieller Klient gewesen. Das
ist über zehn Jahre her. Wenig später kehrte ihr
Kommissar in seine alte Heimatstadt Husum zurück,
natürlich nicht ohne Hintergedanken. Kurz danach waren sie ein
festes Paar.
    »Kriminalpolizei
Husum, Jan Swensen!«
    »Hey, Anna hier!
Es ist Freitag, Schatz!«
    »Hab ich nicht
vergessen.«
    »Wann sehen wir
uns?«
    »Was
würdest du davon halten, Bruno und das Dante ausnahmsweise auf
morgen zu verschieben?«
    »Nicht viel,
mein Lieber.«
    »Wirklich nur
ausnahmsweise, Anna! Ich wollte dich schon gestern anrufen, aber
dieser verzwickte Einbruchsfall. Also, in der Markthalle in Heide
ist heute der letzte Tag der Ausstellung: ›Buddhismus
zwischen Tibet und Thailand‹. Die möchte ich unbedingt
noch sehen.«
    »Hört sich
interessant an. Aber italienisches Essen bei Bruno ist genauso
interessant.«
    »Komm, Anna, im
Dante gibt es auch morgen noch was Gutes zu
essen.«
    *
    Die
Küstenstraße auf Eiderstedt führt schnurgerade
durch den Norderheverkoog. Silvia Haman steuert den Dienstwagen in
Richtung Westküste von Eiderstedt. Stephan Mielke hockt
schweigsam auf dem Beifahrersitz. Am Horizont, über

Weitere Kostenlose Bücher