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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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die Wand spielen. Deswegen ist
er heilfroh, als endlich die Pause erreicht ist, der Vorhang
fällt und er einen Moment seine Anspannung ablegen kann. Doch
sofort beschleicht ihn ein Gefühl von Enge, er muss daran
denken, wie oft die alltägliche Welt da draußen, weitab
von Atomen und Quantensprüngen, ihm das Spiel immer wieder aus
der Hand nimmt.
    Susan Biehl, zum
Beispiel, diese nette Blondine von der Kripo. Warum hab ich es
nicht fertiggebracht, sie völlig unkompliziert zum Kaffee
einzuladen? Es gab einen deutlichen Quantensprung in mir. Und
plötzlich tauchte diese verrückte Freundin auf. Im Nu
wurde meine Hochenergie in Niedrigenergie umgewandelt, ohne dass
ich wirklich begriffen hab, wie das passieren konnte.
    Die Bilder, die vor
Benders innerem Auge erscheinen, wirken eigenartig fremd, als
kämen sie aus einem falschen Stück. Es ist aber sein
eigenes Stück, von ihm selbst inszeniert. Er spielt die Rolle
des männlichen Liebhabers. Susan Biehl, das unnahbare
Schlossfräulein, beharrt darauf, im Schlosshof auf seinen
Kollegen Bernd zu warten. Derweil schleppt die Krankenschwester den
Liebhaber ohne seine Gegenwehr ins Café Storm am Marktplatz
und umgarnt sein Ego. Existieren heißt, wahrgenommen zu
werden! Der Liebhaber, der blind in seiner Welt der
quantenmechanischen Unschärfe herumirrt, ist hingerissen von
der materiellen Welt, die mit Schmollmund und prallen Brüsten
daherkommt. Zu spät erwacht die Reue, Susan Biehl ist auf den
Quantenwellen ins offene Meer getrieben und Ronja Ahrendt wurde an
ihrer Stelle an Land gespült. Vorhang auf zum ersten
Akt!
    Kurz vor seinem
heutigen Auftritt beginnt der zweite Akt: Die Verstrickung. Den
Vorhang hoch! Er schleicht sich auf leisen Sohlen hinter die
Stellwände mit Plakaten der früheren
Puppenspieler-Festivals an seine neue Geliebte heran, beobachtet
die Krankenschwester hinter dem Büchertisch vor dem
Rittersaal, wie sie einsam auf Kunden wartet. Um 20 Uhr steht
›Geschichten aus 1001 Nacht‹ vom Theater Waidspeicher
aus Erfurt auf dem Spielplan. Vor der Kasse staut sich ein
aufgeregter Menschenschwarm und summt wie Bienen auf der Suche nach
ihrer getürmten Königin.
    »Bei der FDP
geht es zur Zeit ja drunter und drüber«, schwappen
Satzfetzen an sein Ohr. »Dieser Antisemitismus von diesem
Möllemann, der steuert seine Partei noch an den rechten
Rand.« »Finden Sie? Endlich einer, der es wagt, mit den
Juden Klartext zu reden!«
    Der Entschluss, Ronja
anzusprechen, kommt einen Hauch zu spät. Sie wird von einem
flachsblonden Adonis in Beschlag genommen. Der Mann hat ein
markantes, schmales Gesicht mit scharf eingegrabenen Falten, die
sich am Nasenflügel bis zu den Mundwinkeln hinabziehen. Er
wird von Bender natürlich gleich in die Kategorie
unsympathisch eingestuft. Da ist es gut, dass der Mensch seine
Ohren nicht schließen kann, schon gar nicht, wenn er sie gern
offen hält.
    »Ich hab dich
schon mehrere Male angerufen und den Anrufbeantworter
vollgequatscht«, flüstert der Schönling gepresst.
»Was ist los mit dir? Warum rufst du nicht
zurück?«
    »Ich wollte dir
nur zeigen, wie es mir mit dir immer geht.«
    »Findest du das
nicht etwas kindisch, Ronja?«
    »Findest du es
nicht etwas kindisch, dich von mir zum Essen einladen zu lassen und
den Abend dann lieber bei deiner Frau zu verbringen?«, zischt
Ronja Ahrendt mit scharfer
Stimme.    
    »Geht das nicht
noch etwas lauter? Wenn hier zufällig ein Bekannter von mir
vorbeitrottet«, empört sich der Mann und versucht, seine
Stimme noch mehr zu dämpfen.
    »Lieber Dr.
Keck, du kannst es noch viel lauter haben. Erzähl einfach
deiner Frau von deinen Eskapaden, und es wird so laut werden, dass
alle es hören!«
    »Was soll das
heißen?«
    »Nun, deine Frau
sitzt doch gleich hinter der Kasse, drüben im
Nebengebäude.«
    »Weiß ich
selbst, ›Schrödingers Katze‹ guck ich mir gleich
an, die Vorstellung.«
    »Wie
wär’s, wenn ich zu ihr gehe und ihr endlich das sage,
was du ihr schon seit Monaten sagen willst? Aber wahrscheinlich
ahnt sie sowieso schon alles oder ihr wurde schon etwas
geflüstert.«
    »Und wer sollte
das gewesen sein?«
    »Antonia
Rebinger vielleicht!«
    »Die Frau vom
Staatsanwalt?«
    »Ja, genau
die!«
    »Wie kommst du
denn darauf?«
    »Erinnerst du
dich nicht mehr an unseren kleinen Hotelaufenthalt damals. Da ist
mir der nette Herr Staatsanwalt über den Weg
gelaufen.«
    »Was? Dr. Ulrich
Rebinger? Bist du sicher?«
    »Ziemlich.«
    »Und er hat dich
auch

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