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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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gesehen?«
    »Weiß ich
nicht. Kann aber sein, oder? Die Braut an seiner Seite war
zumindest nicht die Ehefrau.«
    »Bist du noch
bei Trost, Ronja! Du redest mich um Kopf und Kragen! Wir
müssen das besprechen, so schnell wie
möglich!«
    »Im Moment sind
Pole-Poppenspäler-Tage, da hab ich keine
Zeit.«
    »Dann eben
gleich danach!«
    »Ich
überleg mir das.«
    »Wie, was gibt
es da zu überlegen?«
    »Ich sagte, ich
überleg es mir!«
    »Willst du mich
klammheimlich abservieren?«
    »Auch das
überleg ich mir noch!«
    »Du kannst doch
nicht so naiv sein, Ronja? Glaubst du etwa, du kannst einfach mit
mir Schluss machen? Sei bloß vorsichtig, meine Liebe, dass du
das nicht eines Tages bereust!«
    Ein Klingelzeichen
reißt Marcus Bender aus seinen Gedanken. Er steht auf,
schlüpft in ein weißes Hemd, hängt sich eine Fliege
am Gummiband um und zieht einen Frack über. Beim erneuten
Klingelzeichen greift er nach einem Zylinder. Jetzt hat er die
Identität eines Zauberkünstlers angenommen, stellt sich
vor den geschlossenen Vorhang und wartet das dritte Klingelzeichen
ab. Der Vorhang öffnet sich wieder.
    »Liebes
Publikum, kommen wir zur Rolle des bewussten Beobachters!«,
sagt der Zauberer, schwingt einen Zauberstab und tritt an den
Bühnenrand. Sein Partner Bernd Eggink fährt derweil eine
schwarze Kiste auf einem Rolltisch an seine Seite.
    »Dieser bewusste
Beobachter, das könnte durchaus einer von den Damen und Herren
hier im Saal sein, denn Sie machen alle auf mich einen bewussten
Eindruck. Also, mindestens ein Beobachter ist nötig, um die
Welt der Quantenphysik nach der Kopenhagener Deutung zu begreifen.
Ich will Ihnen das mal mit dieser Kiste verdeutlichen, sie ist
unser Mikrokosmos. Und damit Sie mir glauben, dass die Kiste auch
vollkommen leer ist, dürfen Sie einen Blick
hineinwerfen.«    
    Bender öffnet
eine Klappe, sodass das Publikum in die leere Kiste sehen kann, und
hält danach einen kleinen gelben Ball hoch.
    »Ich gebe nun
ein einzelnes Elektron in die Kiste und entziehe es dem Blick
unseres bewussten Beobachters.«
    Bender schließt
die Klappe der Kiste. Er beobachtet eine Weile theatralisch das
Publikum im Saal.
    »Wenn niemand in
die Kiste sehen kann, verliert das Elektron seine materielle
Substanz, verwandelt sich in eine Wellenform und füllt die
gesamte Kiste aus. Jetzt ist die Wahrscheinlichkeit, das Elektron
irgendwo in der Kiste aufzuspüren, überall gleich
groß. Aufgepasst, jetzt folgt ein Trick! Abrakadabra! Ich
teile die Kiste mit einer Trennwand in zwei
Hälften.«
    Bender schiebt ein
Stück Blech durch einen Schlitz an der Oberseite in die
Kiste.
    »Der gesunde
Menschenverstand würde in diesem Fall natürlich sagen,
das Elektron befindet sich nun in einer der beiden Hälften.
Falsch, meine Damen und Herren! Nach der Kopenhagener Deutung hat
sich an der gleichmäßigen Ausbreitung der
Wahrscheinlichkeitswelle durch die Tennwand nichts geändert.
Erst wenn jemand in die Kiste schaut, bricht diese Welle zusammen
und das Elektron kann in einer der Hälften lokalisiert werden.
Es ist, als gäbe es vor dem Öffnen zwei nebulöse
Elektronen, die sich in beiden Hälften gleichzeitig aufhalten
und nur auf diesen Moment der Beobachtung warten.«
    »Glauben Sie dem
kein Wort!«, protestiert die Schrödinger-Puppe.
»Wegen diesem Unsinn habe ich mir meine Höllenmaschine
ausgedacht!«
    Eine gelbe Katze
schreitet auf die Bühne. Bernd Eggink, der die Marionette
führt, imitiert die ängstlichen Bewegungen des Tieres
täuschend echt. Durch einzelne Gelenke in der
Rückenpartie kann es sogar einen Katzenbuckel
machen.
    »Komm Miez,
Miez!«, lockt die Schrödinger-Puppe und öffnet die
Klappe der Kiste. »Miezekatze, komm, spring in die
Kiste!«
    Eggink lässt die
Katze mit einem Sprung zur Kiste hinaufschnellen und sich in der
linken Hälfte niedersetzen. Die Klappe wird wieder
geschlossen.
    »Jetzt
schließe ich an der linken Seite der Kiste einen
Elektronendetektor an und verbinde ihn mit einer Apparatur, aus der
Giftgas ins Innere strömen kann. Befindet sich mein Elektron
nun in der Hälfte, in der sich die Katze aufhält, wird es
von unserem Detektor gemessen und die Apparatur setzt Giftgas frei.
Fertig ist meine Höllenmaschine.«
    »Verehrte Damen
und Herren«, unterbricht der Zauberer. »Vergessen Sie
bitte nicht, dass es sich hierbei um ein reines Gedankenexperiment
handelt!«
    »Das ist doch
egal«, protestiert die Schrödinger-Puppe. »Ist die
Kiste erst einmal zu, verwandelt sich

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