Poppenspael
Zoll in den Außenhafen ein. Er
fährt vor einen flachen Kaischuppen, in dem sich das Büro
des Hafenmeisters befindet. Ketelsen sieht den Mann aus dem
Gebäude eilen und mit dem Zollbeamten Worte wechseln,
während er mit ausladenden Handbewegungen auf das einlaufende
Schiff deutet. Das dumpfe Stampfen der Dieselmotoren des Frachters
weht herüber, doch bis zum Festmachen vergeht noch etwas Zeit.
Erst jetzt entdecken die Männer Ketelsen, der in der Nähe
am Anleger steht, und winken ihn zu sich.
»Herr Ketelsen,
wo kommen Sie denn her?«, ruft ihm der junge Zollbeamte von
Weitem entgegen. »Ich dachte, Sie sind im
Urlaub?«
»Beachten Sie
mich gar nicht, Herr Ertel. Ich bin offiziell überhaupt nicht
hier.«
»Sie sind aber
nicht zu übersehen«, ulkt der Hafenmeister und grinst.
»So braungebrannt wagen Sie es, sich hier sehen zu lassen, da
kann man ja neidisch werden.«
»Sie sind doch
oft genug an der frischen Luft«, kontert Ketelsen.
»Halten Sie den Kopf einfach mehr in die
Sonne.«
»Und die Firma
schickt Sie an einem Samstag hier raus, wie kommt das denn?«,
fragt der Zollbeamte mit erstaunter Stimme. »Die
Schiffspapiere sind uns von Ihrer Firma schon vor Tagen zugefaxt
worden.«
»Ich weiß,
ich weiß! Wir wollen nur sichergehen, dass vor Ort alles
glatt läuft«, versucht Ketelsen, die Frage abzubiegen.
Die zwei Ohren des Hafenmeisters sind zwei Ohren zu viel.
»Nehmen Sie meine Anwesenheit einfach als persönliche
Neugier.«
Der rot gestrichene
Frachter erscheint langsam hinter dem hohen Backsteingebäude
der Firma Thordsen, das sich von der grauen Front der Getreidesilos
absetzt. An der Bugwand strahlt der Name ›Argroprom
III‹ in weißen Buchstaben in der Sonne. Der Lotse
dreht das zirka 200 Meter lange Schiff im Hafenbecken um die eigene
Achse und steuert es seitwärts an die Kaimauer. Das Fallreep
wird mit einem Elektromotor herabgehievt. Matrosen in blauen
Overalls hasten darauf zum Kai hinüber. Befehle mit russischen
Wortbrocken sind zu hören. Taue fliegen über Bord und
werden um die Poller gelegt.
»Dann will ich
mal wieder an den Schreibtisch«, sagt der Hafenmeister und
wendet sich an den Zollbeamten. »Der Hafenagent der Firma
Argroprom hat sich gleich angesagt um die Sache mit den
Hafengebühren abzuwickeln und danach steht bestimmt der
Ingenieur von der Hafenbehörde auf der Matte. Wir wollen mit
dem Echolot die Wassertiefe im Hafenbecken peilen. Ist mal wieder
dran.«
»Dann mach ich
mich auf den Weg zum Käpten«, sagt der Zollbeamte,
während der Hafenmeister zwei Finger zum Gruß an die
Stirn legt und geradewegs zum Flachschuppen
zurückmarschiert.
Endlich macht er sich
dünne, denkt Ketelsen und legt dem Uniformierten vom Zoll die
Hand auf die Schulter.
»Gut, dass wir
die Gelegenheit haben, kurz unter vier Augen zu reden«,
beginnt er mit vertraulicher Stimme. »Gerade heute wäre
unsere Firma daran interessiert, die Inspektion und den
üblichen Papierkram zügig abzuwickeln, damit der Frachter
schnell wieder ablegen kann. Unsere Geschäftsfreunde in
Lettland haben im Moment einen Engpass mit leeren
Schiffen.«
»Wenn alles in
Ordnung ist, steht dem von meiner Seite aus nichts im Wege, Herr
Ketelsen«, grinst der Zollbeamte übertrieben.
»Ich denke, wir
verstehen uns«, entgegnet Ketelsen und streckt die Hand aus.
Der Zollbeamte schlägt ein, dreht sich um und geht zum
Fallreep hinüber.
»Ich komm gleich
dazu!«, ruft Ketelsen ihm hinterher und eilt zu seinem Wagen.
Im Handschuhfach liegt eine kleine Broschüre: ›Getreide
und Futtermittelhandel Asmussen 1952-2002‹. Er nimmt sie
heraus, legt mehrere 50-Euro-Scheine hinein und verstaut beides in
seiner Jackentasche. Ganz wohl ist ihm nicht dabei, zu sehr
erinnert ihn sein Vorhaben an eine Reise in den sozialistischen
Bruderstaat nach Prag in den 70-ern, wo er und seine Frau kein
freies Zimmer finden konnten. In jedem Hotel die gleiche Auskunft,
alles ist ausgebucht.
Seine Frau
erzählte daraufhin, sie hätte gehört, man müsse
einen Schein mit in den Pass legen, dann würde es schon
klappen. Er hatte sie damals ungläubig angeschaut, den Schein
dann aber doch hineingelegt. Dem Mann hinter der Rezeption war es
überhaupt nicht peinlich, er klappte den Pass auf und sagte:
»Oh, ich sehe gerade, dass ein Zimmer frei geworden
ist.« Seitdem hatte er jede Naivität in solchen Dingen
ad acta gelegt.
Als Ketelsen an Bord
des Frachters gehen will, kommt ihm der Lotse auf dem Fallreep
entgegen, legt die Hand an die
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