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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Er gleitet den Wasserfall hinunter, taumelt zwischen Steinen und Schaum hin und her. Über den Fichtenwipfeln Schwärme leichter Federmücken in der aufsteigenden
    Nachtwärme. Das alles sieht man, wenn man in dem dünnen Spalt sitzt, den eine Sommernacht ausmacht, schwebend auf der zerbrechlichen Hülle zwischen zwei Welten. Die ältesten der Männer, die zwischen siebzig und achtzig, kippten jetzt langsam schräg von den Stühlen. Vater sah die Gefahr, obwohl er selbst schon reichlich blau war, und sprach mich in einer Sprache an, die am ehesten Tornedaldeutsch ähnelte. Ich verstand jedenfalls den Auftrag, und gemeinsam packten wir den ältesten und magersten Alten unter den Achseln. Er war unerwartet leicht und leistete kaum Widerstand, als wir ihn zur Küchenbank schleppten und ihn dort bequem in die Mitte setzten, an die Rückenlehne gedrückt. Die beiden anderen Alten hatten rundere Formen und wogen mehr, sie setzten wir ihm jeweils zur Seite. Sie wachten kurz auf und fingen an, wie die Eulen zu heulen, fielen aber der Reihe nach bald wieder in den Schlaf. Ihre Hinterköpfe fanden Halt an der Banklehne, und die Kinnladen kippten herunter. Da saßen sie und sahen mit ihren aufgerissenen Schnäbeln, ihren weißen Glatzköpfen und faltigen Hälsen wie Vogeljunge aus. Ich setzte mich ihnen gegenüber und versuchte mit Zuckerstückchen in die offenen Mundhöhlen das Zielwerfen, aber Vater verbot es mir mit einem bösen Blick.
    Großvater kam nach einer Runde hinters Haus wieder herein. Er war so langsam gelaufen, dass seine Finger ganz blau gefroren waren, und er verfluchte das Alter und dessen grausame Streiche. Während seiner Abwesenheit hatten die Besucher eine schreckliche Entdeckung gemacht: Der Schnaps war zu Ende gegangen! Einige Onkel und Jäger versammelten sich zu einer nuschelnden Krisensitzung. Man ging die bekannten Schwarzbrenner der Gegend durch, dachte über den eigenen Vorrat daheim im Barschrank nach und wie man die Flaschen herauskriegen könnte, ohne die Alte aufzuwecken. Einige wiesen darauf hin, das der Abend ja noch früh sei und OK noch offen hätte. Man könne Spiritus kaufen, ihn mit Weizenmehl verschlämmen und dann durch einen Kaffeefilter gießen, das war nicht nur stark, sondern sogar trinkbar und sicher für alle mit kräftigem Herz ungefährlich. Einer der Jäger bot an, mit dem Taxi nach Finnland zu fahren, wenn sich alle an den Kosten beteiligen würden, und dort in einem auch Abends geöffneten Laden in Kolari Starkbier zu kaufen, soviel der Wagen fassen konnte. Die Zöllner kannte er, würde er also angehalten, würde er sie einfach mit zum Fest einladen. Alle hielten das für einen guten Vorschlag, da finnisches Starkbier das beste Gegenmittel gegen Kater sei, und baten ihn, außerdem Sauerteigbrot und piimä zu kaufen und ein paar finnische Schönheiten mitzubringen, falls er auf welche stieße.
    Großvater erhob sich würdevoll und holte einen leeren DreiLiter-Plastikkanister heraus. Ernsthaft bat er darum, ihn mit Wasser zu füllen. Ein Nachbar ließ kaltes Wasser bis zum Verschluss hineinströmen, während die anderen Männer verwundert zuschauten. Feierlich stellte Großvater den Kanister in den Besenschrank und fragte, wie es um die Bibelkenntnisse der Anwesenden stand. Alle schwiegen und dachten bei sich, dass der Alte wunderlich geworden sei.
    »Seid ihr gläubig?«, wiederholte Großvater stur.
    »Ne, ne«, murmelten nun einige.
    Großvater öffnete daraufhin den Besenschrank und zog den Kanister hervor. Dann goss er sich einen Schluck ein und reichte den Kanister weiter, und die Kerle tranken, einer nach dem anderen. Und während eine Runde nach der anderen verging, riefen alle, dass Großvater Jesus sei, ja, sogar noch größer als Jesus, da dieser Wasser nur in Wein verwandelt hatte, während Großvater sogar Schnaps hervorgezaubert hatte. Zwar war er von der einfacheren Sorte und hatte einen schmalzigen Beigeschmack, aber andererseits gab es nur wenige so gesunde Sachen wie Fuselöl mit all seinen Spurenelementen und Chromosomen. Ich war der Einzige, dem auffiel, dass sich nicht nur der Inhalt verändert hatte, sondern auch die Farbe der Verschlusskapsel, aber ich beschloss lieber zu schweigen, um die Erweckungsstimmung nicht zu stören.
    Ein älterer, beleibter Nachbar schlief jetzt langsam auf seinem Küchenstuhl ein. Ich konnte ihn gerade noch auffangen und seinen Kopf schützen, als er auf den Boden donnerte. Es war unmöglich, ihn wieder aufzuwecken, also

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