Port Vila Blues
leer und man kam schnell voran, dennoch hielt sich Niekirk die ganze Zeit an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Auf dem Motorrad befand sich vermutlich eine halbe Million Dollar. Springett hatte De Lisle informiert, dass es sich um neue Scheine handelte, mit fortlaufenden Seriennummern, also leicht aufzuspüren. Doch das war De Lisles Problem. Springett hatte nicht vor, sich das Geld unter den Nagel zu reißen. Es gab Hehler, die ihm zwanzig Cent pro Dollar zahlten, aber das kostete Zeit und Mühe, außerdem würde er sich dabei exponieren. Dann schon lieber das Drittel, das De Lisle ihm bot, dafür, dass er die Coups auftat. Einzig De Lisle war in der Lage, den vollen Gegenwert für diese halbe Million zu bekommen, eine Beute, die sich in den Händen anderer wie heiße Kartoffeln anfühlen würde.
Springett folgte Niekirk hinunter zur Autobahn nach Doncaster und weiter bis zur Ausfahrt Bourke Road. Der Verkehr war schwach, die Lichtverhältnisse günstig. Ein unkompliziertes Arrangement, dachte er. De Lisle schickt ein Vertragsteam aus einem anderen Bundesstaat, Männer, die den hiesigen Blauuniformierten nicht bekannt sind und die sich nach jedem Coup Richtung Sydney absetzen können. Infanteristen wie Riggs und Mansell erhalten einen ordentlichen Pauschallohn. Ich krieg einen Vorschuss und die Zusicherung auf ein Drittel der Beute, wenn der erste Sturm sich gelegt und De Lisle das Geld gewaschen hat. Dito Niekirk. Und sollten Niekirk und seine Männer gefasst werden, gibt es eine Nummer, die sie anrufen können, grünes Licht sozusagen, sie aus dem Schlamassel rauszuholen.
Narrensicher, dachte Springett, wenn man davon absieht, dass De Lisle einiges gegen uns in der Hand hat, wir auf unser Geld warten müssen und jemand bereits Scheiße gebaut hat mit dem Tiffany-Schmuck.
Springett folgte Niekirk auf die südöstliche Autobahn und weiter Richtung Carlton, blieb dabei immer unterhalb der Höchstgeschwindigkeit und spürte so das Brummen des schweren Motorrads. An der Faraday Street hielt er an, stieg von der Maschine und beobachtete, wie Niekirk zweimal die Straße hoch- und wieder hinunterfuhr, um schließlich an einem Taxi zu halten, das auf halber Höhe abgestellt war. In unmittelbarer Umgebung standen etwa ein Dutzend ähnlicher Taxis, die alle für Red Stripes fuhren, ein kleines Vorort-Unternehmen, das seinen Sitz eine Ecke weiter in einer schmalen Autowerkstatt hatte. Vierundzwanzig Stunden am Tag fuhren Taxis in die Faraday Street und wieder hinaus, traten in unregelmäßigen Abständen diverse Fahrer ihre Schichten an.
Springett nickte vor sich hin. Niemand schenkt einem Mann Beachtung, der mit einem Motorrad angefahren kommt und sein Zeug in ein Taxi lädt. Er nahm an, dass das beleuchtete Taxischild, das Taxameter, das Funkgerät und die Red-Stripes-Aufkleber echt waren, der Wagen jedoch, ein Falcon, schlichtweg Niekirks Transportmittel war, wenn er in Melbourne einen Job durchzog oder ihn vorbereitete. Er konnte damit überallhin fahren und niemand käme auf die Idee, das in Frage zu stellen.
Im Schutze der Dunkelheit beobachtete Springett, was weiter geschah. Den Deckel des Kofferraums hochgeklappt — wobei er die Sicht auf den Kofferraum mit seinem Körper versperrte —, lud Niekirk das Geld von den Satteltaschen in den Kofferraum. Halb drei. Niekirk stieg in das Taxi und startete den Motor. Springett ließ die Honda anspringen und nahm die Verfolgung auf, raus aus der Parklücke, quer durch Carlton dem Südende der Stadt entgegen, um schließlich die La Trobe Street hinunterzufahren und links in die Spencer Street einzubiegen.
Soweit Springett informiert war, handelte es sich um Niekirks letzte Station. Als Nächstes käme der Kurier, um das Geld zu übernehmen und bei De Lisle abzuliefern. An einigen Punkten der Unternehmung gab es Vorsichtsmaßnahmen und Sicherungen. De Lisle blieb weitestgehend im Hintergrund und aktivierte die Mitglieder seines Teams einzeln und über tote Briefkästen. Auf der anderen Seite kamen Niekirk und seine Männer nur zusammen, wenn Planung und Ausführung eines Coups anstanden. Springett und De Lisle blieben über eine Reihe Postfächer miteinander in Kontakt.
Wenn es auch funktionierte, so hatte De Lisle doch jeden Einzelnen von ihnen unter Kontrolle und das war Springett verhasst. Wenn möglich, hatte er gern den Überblick. Bislang vertraute er De Lisle. Gezwungenermaßen. Aber es gab keinen Grund, Niekirk, Riggs, Mansell oder dem Kurier zu vertrauen, die
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