Porträt eines Starters
haben sie zu wenig Geschäft gemacht«, sage ich. »Das geht heute vielen Unternehmen so.«
Der nächste Punkt auf meiner Liste ist ein Baumarkt. Wir stehen in einer langen Schlange. Unser Einkaufswagen quillt über von Batterien, Klebeband und Planen. Neidisch schiele ich auf die Leute, die sich mit Holz eingedeckt haben. Ray wollte nur die Batterien. Er wird vermutlich die Augen verdrehen, wenn er die Planen sieht, und mich fragen, wozu die denn gut sein sollen. Aber ich lege sie nicht zurück ins Regal. Vielleicht brauchen wir sie noch, um die Fenster abzukleben. Vielleicht wird er mir eines Tages dankbar für diesen Kauf sein.
Ich hätte ohnehin kein Holz in unserem SUV untergebracht. Die Leute hier sind wahrscheinlich mit Trucks gekommen.
»Ist der nicht süß, Mom?« Callie hält einen kleinen Ventilator in Form eines Igels hoch.
Sie schaltet das Gebläse ein und lässt ihr langes Haar flattern, völlig vernarrt in dieses Objekt, von dessen Existenz sie bis eben noch nichts wusste.
»Leg ihn zurück.« An einem anderen Tag hätte ich ihn wohl gekauft. Aber heute steht mir nicht der Sinn nach Spaßkäufen.
Sie zieht eine Schnute und stellt ihn achtlos ins Regal, als habe sie nie im Leben daran gedacht, ihn mitzunehmen. Er kippt zur Seite, scheinbar schwer getroffen von der Zurückweisung.
Vor dem Einkaufszentrum schiebt Callie den Wagen zu unserem SUV, während ich meine Schlüssel hervorkrame. Ich öffne die Heckklappe und lege meine Handtasche in den Kofferraum, um einen Kasten Wasserflaschen und Tylers kleinen Baseball-Schläger auf die Seite zu schieben. Ich höre eine Stimme.
Als ich mich umdrehe, sehe ich einen Mann lächelnd auf Callie zugehen. Ein schlaksiger Typ, so um die zwanzig, mit einem Hoodie bekleidet, der bei diesem Wetter ganz schön warm sein muss.
»Braucht ihr Hilfe?«, fragt er und hievt die Tüte mit dem Klebeband und den Batterien aus dem Einkaufswagen.
Dabei kommt er Callie sehr nahe. Ich gehe auf ihn zu.
»Lassen Sie nur«, wehre ich ab. »Wir schaffen das schon.«
Er wendet sich mir zu. »Okay, Ma’am.«
Er lässt die schwere Tüte so unvermittelt in meine ausgestreckten Hände fallen, dass ich Mühe habe, sie festzuhalten. Und bevor ich merke, was er vorhat, schnappt er sich meine Handtasche von der Ladefläche des SUV.
»Nein!«, rufe ich. »Halt!«
Er flüchtet. Ich lasse die Tüte fallen und verfolge ihn.
»Mom, nicht!«, schreit mir Callie hinterher.
Ich höre nicht auf sie. Die Wut, die sich in mir aufgestaut hat, beflügelt mich. Ich werde nicht zulassen, dass er mit meiner Brieftasche, meinem Ausweis, meinem Bargeld, meinen Kreditkarten und dem Handy mit sämtlichen gespeicherten Nummern verschwindet. Die Stunden im Fitnessstudio zahlen sich aus, als ich ihn einhole und an seiner Kapuze packe. Mit einem Ruck zerre ich ihn nach hinten. Wir stürzen beide zu Boden. Callie kommt herbeigelaufen. Sie schwingt Tylers Baseball-Schläger wie eine Waffe.
Er schaut erst sie und dann mich an. Ich versuche ihm meine Handtasche zu entreißen. Er greift mit der freien Hand hinein und schnappt sich mein Mobiltelefon.
»Geben Sie das Handy her«, sage ich.
Callie hebt drohend den Baseball-Schläger. Dem Dieb muss in diesem Moment klar sein, dass er keine Beute machen wird. Ich sehe die Wut über die Niederlage in seinen dunklen Augen. Und mit all dieser Wut knallt er mein Handy mit dem Display nach unten auf den Asphalt.
»Da haben Sie Ihr blödes Handy«, zischt er, während er sich hochrappelt und davonrennt.
Callie zögert einen Moment, als wollte sie ihn verfolgen, doch dann kniet sie neben mir nieder, lässt den Schläger fallen und umarmt mich.
»Alles ist gut, Mom. Es ist alles gut.«
Mein Gesicht fühlt sich nass an. Ich suche nach Blut an meinen Fingern, bis ich merke, dass mir Tränen über die Wangen rinnen.
Die Spore, später
Die Wände des Behälters, in dem die Spore eingeschlossen ist, erbeben. Was ist das? , fragt sie ihre Freundin.
Die Freundin warnt sie. Halt dich fest!
Die Spore stößt sich nach oben ab, bis sie neben ihrer Freundin ist. Hoffentlich werden sie nicht wieder getrennt.
Aber ihre Welt rotiert so heftig, dass die beiden auseinander stieben. Die Spore wird gegen eine Wand gepresst. Sie ist sich sicher, dass sie platt gedrückt wird, wenn die Drehbewegung irgendwann aufhört, ein hauchdünnes Nichts ihrer selbst. Sie vernimmt ein Wimmern, das sich zu einem immer höheren, schrilleren Ton steigert, bis es ihr ganzes Sein durchdringt. Ob
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