Porträt eines Starters
stehlen. Ich überlege, ob wir Eintrittsgeld auf den Tresen legen sollen. Callie nimmt sich einen kürzeren Schläger. Dazu zwei Bälle, einen Vordruck für die Punktezahl und einen kurzen Bleistift.
»Wetten wir einen Dollar, dass ich dich schlage?« Ihre Augen glänzen.
Wir begeben uns zum ersten Loch, einer Windmühle. Ich schaue mich um. Die elektronischen Spielereien funktionieren natürlich nicht. Aber die altmodischen Geräte, die vom Wind oder von Gewichten bewegt werden, laufen so gut wie immer. Callie legt auf und schwingt den Schläger. Der Ball saust durch eine Lücke der sich drehenden Flügel und fällt genau in den grünen Kreis hinter der Windmühle. Ein helles Klacken ist zu hören, als er in der Mulde umherrollt.
»Hole-in-one!«, ruft sie und führt einen kleinen Siegestanz auf. Sie hat alles andere vergessen. Einzig und allein das Spiel zählt. Ich muss lächeln.
Die Spore, später
Die Spore wird mit einer Art Sieb aus dem Behälter geholt, das nur die Artgenossen erfasst, die noch rund und unversehrt sind. Als sie einen Blick nach unten wirft, sieht sie die Freundin auf dem Boden des Behälters liegen, reglos und kalt.
Leb wohl, Freundin.
Die Spore denkt über das Sterben nach und ist dankbar, dass sie noch lebt. Ist das schlimm?
Sie erinnert sich an die Worte der Freundin und erkennt, dass sie die bösen Gedanken durch eine gute Tat aufwiegen kann. Sie muss nur ihr Versprechen erfüllen. Die kleine Spore macht sich bereit.
Sie kommt mit allen Sporen, die den Test überlebt haben, in einen Blechkanister, der mit einem Deckel verschlossen wird. Dieser Kanister wird in einen anderen Behälter eingesetzt, in dem völliges Dunkel herrscht. Das stört die Spore nicht; sie kann die Gefährten spüren. Lärm umgibt sie, ein Scheppern und Dröhnen, als der Kanister zur Seite gekippt wird. Und dann ist alles still. Die Sporen sind gewichtslos. Sie trudeln und schweben in ihrem Gehäuse umher.
Die Spore vernimmt die Gedanken der anderen Sporen. Sie fliegen ihrer Bestimmung entgegen. Sie sind euphorisch.
Barbara Woodland, am Minigolfplatz »Golden Castle«, 12:15 Uhr
Callie legt ihren Ball am achten Loch auf. Ich beobachte sie, wie sie den Schläger packt und das Ziel anvisiert, ein Loch hinter einem kleinen Graben, der eigentlich ein Bach sein sollte. Aber natürlich enthält er kein Wasser. Wahrscheinlich fließt hier seit Monaten kein Wasser mehr. Ich frage mich, ob die Betreiber schon vor einiger Zeit entschieden haben, die Anlage zu schließen, oder ob die Angestellten heute geflohen sind, ohne das Tor zu schließen. Sind wir total bescheuert, dass wir uns hier im Freien aufhalten?
Es ist das achte Loch. Noch eine Station, dann sind wir durch. Sie schlägt den Ball, und er fliegt schön über das trockene Bachbett hinweg, genau auf die kleine Kunstrasen-Fläche in der Nähe des Lochs. Sie zielt gut; das hat sie von Ray gelernt. Auch auf dem Schießstand hat sie eine hohe Trefferquote.
Wird er sich freuen und stolz auf sie sein, wenn ich ihm das erzähle? Oder wütend über unsere Unvernunft?
»Du bist dran, Mom.«
Ich muss es versuchen. Es wird Zeit, dass wir zu einem Ende kommen. Bevor ich den Ball abschlage, sehe ich ein paar Jungs auf den Platz kommen. Sie sind mit ihren Schlägern am ersten Loch. Ältere Teens, ziemlich verwahrlost, mit wilden Tattoos und jeder Menge Piercings. Und niemand sonst ist in der Nähe.
Ich schlage den Ball ab, und er landet im Graben.
»Schlecht«, sagt Callie.
Wir treten an den Rand des Grabens. »Da kriegst du ihn nie raus«, meint sie.
»Macht nichts«, sage ich. »Spiel du einfach fertig.«
»Ach, komm, Mom, wir sind fast durch. Deine Punktezahl ist nicht so schlecht. Du kannst noch gewinnen.«
Sie holt meinen Ball aus dem Graben und legt ihn auf den grünen Kreis.
»Hey, das ist geschummelt«, sagt eine Stimme hinter uns.
Wir drehen uns um und sehen die beiden Teens auf ihre Schläger gestützt an unserer Markierung stehen.
»Und was geht das euch an?«, fragt Callie.
Callies Courage verblüfft die Jungs.
»Wir sind fertig«, sage ich, halb zu ihr, halb zu den beiden Typen. Ich werfe ihr einen Blick zu, dem sie hoffentlich entnimmt, dass sie den Mund halten soll. Ich habe Angst und will schleunigst weg von hier.
Der größere der beiden Jungs schlendert näher. »Immer langsam.« Er grinst. Zwischen seinen Schneidezähnen blinken kleine Metall-Totenköpfe. »Wir möchten schon sehen, wie du abschlägst.«
Ich merke, wie Callie sich
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