Portugiesische Eröffnung
wusste vermutlich nicht, wen er vor sich hatte.
»Was ist denn?«, fragte das Greenhorn und sah Sproul herausfordernd an.
Sproul sagte nichts, aber der Junge hatte wohl seine Gedanken gelesen, worauf er etwas von Stabilität in der Region und Verantwortung gegenüber den Alliierten stammelte, als hätte man ihn um eine Erklärung gebeten.
Sproul schwieg weiter, und Valsamis glaubte schon, er wolle das Thema fallen lassen. Dann aber beugte er sich vor, wie er es immer tat, wenn er etwas mit Nachdruck sagte. »Der interessiert sich einen Scheißdreck für Ihre gottverdammte neue Weltordnung«, sagte er und deutete auf einen vorbeigehenden Kellner. »Keiner von denen interessiert sich dafür. Dem geht es nur darum, ob er seinen Kindern morgen etwas zu essen kaufen kann.«
Der Kellner blieb kurz stehen und eilte dann rasch davon.
Sproul war stocknüchtern, doch seine Stimme hallte einen Tick zu laut durch den Raum. »Die Israelis interessieren sich einen Scheißdreck für dieses Land, genau wie wir. Die schlachten sich gegenseitig in den Bergen ab. Habt ihr das gewusst? Die schlachten sich ab wie die Tiere. Und wenn die Israelis abziehen, gibt es ein Blutbad.«
Das Greenhorn plusterte sich auf wie ein kleiner Hund, der größer aussehen will, doch Sproul war fertig. Er stieß seinen Stuhl vom Tisch weg und verließ den Speisesaal in Richtung Bar.
Niemand sagte etwas. Der junge Typ schaute sich nervös um. Dann fing Bentley an zu lachen, und die anderen stimmten ein.
Valsamis trank sein Glas aus und wollte ebenfalls aufstehen.
»Was ist denn los?«, fragte Bentley und hielt ihn am Arm fest. »Ist jemand Ihrem kleinen Freund auf den Schlips getreten?«
Erneutes Gelächter. Valsamis riss sich los und versuchte auszuloten, wie ernst die Worte gemeint waren. »Fick dich«, flüsterte er.
»Hey!« Bentley streckte abwehrend die Arme in die Luft und schaute sich am Tisch um. »Was wollen Sie denn? Es ist doch kein Geheimnis, dass Sie schon die ganze Zeit drauf aus sind, Sproul in den Arsch zu ficken.«
Valsamis ballte die Fäuste und saß einen Augenblick wieder im alten Kombi seines Vaters, sah die Straße hinter sich verschwinden, die Silhouette der Kneipe im Schnee verschwimmen und mit ihr den kleinen Indianerjungen, der seinen Mantel und seine Stiefel trug. Auf seiner Wange brannte noch der Schlag seines Vaters, der blaue Fleck würde eine ganze Woche zu sehen sein.
Bentley kicherte. »Sieht aus, als wäre Sproul der Einzige, der keine Ahnung hat.«
»Zur Hölle mit Ihnen«, sagte Valsamis, drehte sich auf dem Absatz um und betrat die Bar.
Die beiden Journalistinnen waren gegangen, und es wurde unangenehm still. Sproul bot ihm einen Platz an und bestellte zwei Bier.
»Es tut mir leid«, sagte er, als der Barkeeper weg war, und Valsamis glaubte schon, Sproul hätte Bentleys Worte gehört. Falls ja, ließ er sich nichts anmerken.
»Ich wollte nicht so die Fassung verlieren. Ich habe mich ein bisschen lächerlich gemacht, oder?«
Valsamis schüttelte den Kopf. Hinter ihnen im Speisesaal erklang grobes Gelächter.
»Was ist nur los mit denen?«, wollte Sproul wissen und schaute an Valsamis vorbei.
Er folgte dem Blick. Bentley war aufgestanden und führte eine obszöne Pantomime vor, eine Karikatur, in der Valsamis sich sofort erkannte.
»Idioten«, murmelte Sproul und trank einen Schluck Bier. »Ich habe ganz vergessen, Sie hatten ja nach dem Chief gefragt. Beim Hereinkommen habe ich Bryce in der Eingangshalle getroffen, und er erwähnte, dass Sie nach ihm suchen. Stimmt etwas nicht?«
Valsamis schob die Hand in die Tasche und betastete den Zettel. Nun musste er sich zwischen seinem Land und sich selbst entscheiden. Zwischen dem, woran er glaubte, und dem, was er war.
»Nein, es ist nichts«, sagt er mit einem Blick auf Bentley und zog die Hand aus der Tasche.
Dann sagte er leicht verlegen zu Sproul: »Ich dachte, wir könnten am Montagmorgen in den Chouf fahren. Sie könnten mich ein bisschen herumführen.«
»Da ist doch das große Meeting«, sagte Sproul geistesabwesend. »Das möchte ich nicht verpassen.«
»Wir fahren früh los«, beharrte Valsamis. »Noch vor dem Morgengrauen. Sie sind mittags wieder hier.«
Sproul zögerte, den Blick noch immer auf den Speisesaal gerichtet. »Ja«, sagte er schließlich. »Sicher doch, also Montag.«
Ein Geräusch auf der Treppe. Graça und Valsamis drehten die Köpfe. Es war fast zwei Stunden her, dass Nicole sie alleingelassen hatte, doch sie hatten sich die
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