Portugiesische Eröffnung
weiterzuleiten, was immer das auch heißen mag. Das war zwei Tage nach dem Bombenanschlag gewesen, in der Beiruter Abteilung herrschte noch Chaos. An wen hatten sich die Franzosen wohl gewendet? An die Zentrale in Langley, den ranghöchsten noch lebenden Mitarbeiter für den Nahen Osten. Doch das konnte nicht sein, denn der ranghöchste Mann war Dick Morrow gewesen.
Die Wahrheit war so offensichtlich, dass Valsamis sich schämte, sie nicht früher erkannt zu haben. Es wird gemunkelt, dass noch jemand an deinem Mädchen interessiert ist, hatte Kostecky gesagt.
Es hatte irgendeinen Kontakt zur Hisbollah gegeben, jemanden, der von dem Bombenanschlag gewusst und ihn überlebt hatte. Jemanden, der Grund hatte, sich vor Sabri Kanj und den Geheimnissen, die dieser aus Beirut mitgenommen hatte, zu fürchten. Jemanden, der in Jordanien Zugang zu Kanj hatte.
Jahrelang hatte Valsamis geglaubt, der Tod von Mina LeClerc sei ein Zufall gewesen, doch Nicole hatte recht: Es war Mord. Die Franzosen waren zu Morrow gegangen, und der hatte angenommen, Mina wolle ihn verpfeifen.
Wie beim Feiglingsspiel, dachte ich, als ich das Blut von Valsamis’ Hand tropfen sah. Ich wollte etwas von ihm, aber was würde er mir geben? Das Geheimnis, das er so lange für sich behalten hatte? War es überhaupt denkbar, dass er es jetzt preisgeben würde? Ein Scheit verrutschte im Feuer, knisterte in den Flammen, die das Wasser aus dem Holz sogen.
Valsamis hatte zu Ende gelesen und schaute von mir zu Graça und wieder zurück. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert, Gesicht und Stoppeln waren grau, während seine Augen beunruhigend klar blickten.
»Es war Morrow«, sagte er.
Ich zögerte, bevor ich anbiss. »Wer ist Morrow?«
»Dick Morrow.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie haben von dem Anschlag gewusst. Niemand außer Ihnen hat ihn überlebt.«
Valsamis nickte. »Sie haben recht, aber Morrow hat es auch gewusst. Sehen Sie mal.« Er deutete auf die Briefe und biss sich dabei vor Schmerz auf die Lippe. »Er war damals Einsatzleiter für den Nahen Osten. Die Franzosen müssen zu ihm gegangen sein. Und von ihnen dürfte er erfahren haben, was Ihre Mutter ihnen gesagt hatte.«
Ein Gauner, rief ich mir ins Gedächtnis, und dennoch spürte ich, wie mich ein kalter Schauer überlief, als hätte jemand in einem dunklen Haus einen Geist erwähnt.
»Er wird herkommen, Nicole. Er war bei Kanj und weiß, dass Sie die Briefe haben.«
Ich wollte einen Schritt nach vorn machen, beherrschte mich aber. »Das ist gelogen.«
Valsamis schloss die Augen, und ich fürchtete schon, er würde ohnmächtig. Dann öffnete er sie wieder und sah mich frei heraus an. »Woher weiß ich denn wohl, dass Sie hier sind?«
Ich zuckte die Achseln. Es war eine Weile her, seit ich den Computer in Lissabon benutzt hatte, und Valsamis hätte in aller Ruhe hierher fahren können. »Sie sind wegen der Briefe gekommen. Ob ich hier bin, hat Sie nicht weiter interessiert.«
»Ich wusste es aber. Woher wohl?«
Ich lehnte mich gegen die Arbeitsplatte.
»Haben Sie wirklich geglaubt, Ed würde Sie diesmal nicht verraten? Haben Sie ihm wirklich vertraut?«
Ich schüttelte den Kopf und erinnerte mich, was er an jenem ersten Morgen gesagt hat. Nicht mal Ihr Vater weiß, wo Sie stecken. Sie mussten einen Deal geschlossen haben, dessen Bedingungen ich lieber gar nicht erfahren wollte. Ed hatte sich bereit erklärt, Valsamis Bescheid zu geben, wenn ich ihn aufsuchte.
»Er hat mich angerufen, nachdem Sie das Hotel verlassen hatten«, fügte Valsamis hinzu, als wäre Eds Verrat der Beweis für etwas Größeres, als könnte er damit seine Aussagen untermauern. »Er hat mir gesagt, dass Sie hierher fahren.«
»Und was hat das mit Beirut zu tun?«
»Nichts.«
Doch ich wusste, dass das nicht stimmte, und als er nach den Tabletten griff, ließ ich es zu.
Siebenundzwanzig
Ob Valsamis mir die Wahrheit gesagt hatte und Morrow wirklich hierher unterwegs war oder nicht – Graça und ich waren ohnehin schon zu lange hiergeblieben. Wir mussten so schnell wie möglich verschwinden, doch zuerst musste ich unsere Pässe fertigstellen.
Ich verband Valsamis’ Wunde, so gut ich konnte, und legte einen Druckverband an. Dann ließ ich ihn mit Graça allein, holte die Pässe aus dem Kühlschrank und ging in mein Büro.
Ich nahm an, dass diese Dokumente ein Kinderspiel werden würden. Es gab keine komplizierten Stempel oder Wasserzeichen, sodass ich im Grunde nur die Laminierung entfernen, die Fotos
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