Portugiesische Eröffnung
Bentley war in Beirut gewesen, als Valsamis in den Libanon kam, arbeitete inzwischen aber in Damaskus.
Als Bentley sich zu den beiden Journalistinnen beugte, schwappte sein Drink bedenklich im Glas. Die Frauen warteten mit entsetztem Blick auf die unvermeidliche Antwort. Sie hatten schon zu viele Variationen dieses Witzes gehört und sie nie lustig gefunden.
Bentley fing Valsamis’ Blick auf und grinste betrunken, seine Miene spiegelte eine Mischung aus Warnung und Verachtung.
Ja, dachte Valsamis, ich kenne meinen Platz, aber er hasste es, daran erinnert zu werden. So wie er es hasste, die Drecksarbeit zu erledigen. Fünf Jahre, sagte er sich, fünf Jahre mit einem Informanten, der so wertvoll war, dass man ihn als Unterrichtsstoff benutzte, und dennoch musste Valsamis immer noch fremden Dreck wegmachen.
»Damit sie wie ihre Mütter riechen«, verkündete Bentley und lachte triumphierend.
»Aufstehen.«
Valsamis drehte den Kopf gerade so weit, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. Der Lauf der Waffe bewegte sich mit ihm.
»Aufstehen, verdammt nochmal«, wiederholte ich.
Diesmal rappelte Valsamis sich auf. Sein rechter Arm blutete stark, schlimmer, als ich erwartet hatte. Die Kugel hatte den Knochen zerschmettert. Er kam taumelnd auf die Füße, und ich stieß ihn vorwärts, bevor ich mich nach seiner Ruger bückte.
Ich sah Lucifer im Schnee liegen. Der Körper war schon eingesunken, die Überreste seines Kopfes lagen zur Seite gedreht. Es hatte keinen Sinn, zu ihm zu gehen, ich konnte ihm ohnehin nicht mehr helfen.
»Rein!« Ich stieß Valsamis mit der Pistole an, und wir betraten das Haus durch die Hintertür, wo Graça in der Küche auf uns wartete.
Ich zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor, stieß Valsamis darauf und reichte Graça seine Waffe. »Pass auf ihn auf«, wies ich sie an, öffnete den Hängeschrank über dem Spülbecken und nahm einen Erste-Hilfe-Kasten und zwei Packungen Medikamente heraus. »Hier.« Ich drückte zwei Tabletten aus jeder Packung in meine Hand. »Vicodin und Amoxicillin.«
Ich legte sie neben ihn auf den Tisch.
»Wie viel hat es eingebracht?«, wollte ich wissen, während ich den Erste-Hilfe-Kasten öffnete und ein Päckchen mit blutstillenden Schwämmen herausnahm. »Hat die Hisbollah Sie bezahlt, oder steckt jemand anders dahinter?« Falls Valsamis weiterleben wollte, musste er schon etwas dafür tun. Ich schaute auf seinen Arm und die wachsende rote Lache auf dem Boden. »Sie sollten bald reden, sonst sagen Sie gar nichts mehr.«
Er hob den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
Da war er nun, nach all diesen Jahren. Der Mann, der meine Mutter ermordet hatte. Ich schloss flüchtig die Augen und dachte an Lucifer und wie seine Beine unter ihm eingeknickt waren, an Rahim, der in dem Hauseingang seine Hand auf meine legte.
Valsamis schüttelte müde den Kopf und warf einen Blick auf den goldbeschrifteten Schuhkarton auf der Arbeitsplatte.
»Sind Sie deswegen gekommen?«, fragte ich wütend. Ich hob den Deckel ab, nahm die beiden letzten Briefe heraus und legte sie vor ihm auf den Tisch. »Hier.«
Der Schmerz übermannte Valsamis, sobald er sich bewegte. Es war schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch er musste es versuchen. Valsamis las die Briefe, einmal, zweimal, bemüht, den Schmerz auszuklammern und einen Sinn darin zu finden.
Sabri sagt, sie hätten eigene Kontakte innerhalb der neuen Bewegung, hatte Mina geschrieben. Es schien geradezu undenkbar, dass es in Beirut einen Kontakt zur Hisbollah gegeben hatte, von dem Valsamis nichts wusste. Und doch hatte Kanj genau das behauptet.
»Darum sollte ich Rahim für Sie finden«, hörte er Nicole sagen. »Nicht weil ich Sie zu Rahim führen konnte, sondern wegen der Briefe. Darum haben Sie auch Kanj getötet. Darum haben Sie damals meine Mutter getötet: weil sie Bescheid wusste.«
Valsamis schüttelte den Kopf und wollte sich wieder auf die Briefe konzentrieren. Gestern habe ich die französische Botschaft angerufen, hatte Mina geschrieben. Und was hatte sie ihnen erzählt? Dass sie einem Mann in einem Café in der Rue Clémenceau einen Zettel gegeben hatte? Oder hatte sie einfach gesagt, es gebe einen Amerikaner, der vorher von dem Bombenanschlag gewusst und nichts dagegen unternommen habe? Seinen Namen hatte sie nicht gekannt, und Kanj auch nicht, dafür hatte Valsamis gesorgt.
Der Mann, mit dem ich geredet habe, versprach mir, meine Informationen an die richtige Stelle
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