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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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ganze Zeit über kaum bewegt.
    Nicole erschien in der Tür. Sie hatte eine kleine Reisetasche dabei, die für das Allernotwendigste ausreichte. Sie stand einen Moment schweigend da und verschwand wieder. Valsamis hörte ihre Schritte auf den Fliesen, als sie zur Haustür ging. Als sie zurückkam, hielt sie die Schrotflinte in einer Hand.
    »Bist du fertig?«, fragte sie Graça.
    Graça nickte schweigend.
    Nicole schaute kurz zu Valsamis und lehnte die Waffe gegen die Arbeitsplatte.
    Das ist das Ende, dachte Valsamis, als sie die FEG von Graça nahm und auf ihn zuging. Dann hörte er die Sicherung einrasten.
    Nicole beugte sich vor und griff nach den Briefen. Sie faltete sie sorgfältig, legte sie wieder in den Schuhkarton und schob ihn mitsamt der Waffe in ihre Tasche.
     
    Ich schloss die Augen und stellte mir im Geiste meinen Garten vor. Inseln in Gelb, Purpur und Weiß, wo ich im vergangenen Herbst die Krokusse gesetzt hatte. Und in den winzigen Kelchen, inmitten der schwarzen Staubblätter, die ersten Bienen des Jahres, hungrig wie Neugeborene, trunken von Nektar. An den Rändern der Beete die ersten Versprechen von Lilien und Prachtscharten, dazu die alten Heckenrosen, die ich aus der Umklammerung des Unkrauts befreit hatte. Gleich neben der alten Steinmauer der grüne Dschungel, wo ich die Grüne Minze hatte wuchern lassen.
    »Die werden Sie nie wieder los«, hatte mich Elodie Hernot kopfschüttelnd gewarnt, als ich in meinem ersten Sommer die Pflanzen aus den Töpfen geholt und in die Erde gesetzt hatte, die ich für einen Kräutergarten vorbereitet hatte. Sie hatte recht behalten. Nach drei Jahren war nur die Minze übrig, ein ganzes duftendes Feld, das sich in Richtung Wiese und Haus ausbreitete.
    Ich kniete mich neben Lucifer in den Schnee und legte meine Hand auf seine Flanke. Es schneite noch, und der Körper des Hundes war schon kalt, versank in den Schneewehen wie in einem Grab. Noch eine Stunde, und alle Spuren seines Lebens wären dahin.
    Es war besser so; es hätte ihm das Herz gebrochen, wenn ich ihn zurückgelassen hätte. Dennoch wünschte ich mir, egoistisch, wie ich war, er möge noch einmal aufwachen, wünschte mir seine liebevolle Seele herbei, und sei es auch nur, um mich richtig zu verabschieden.
    Graça bewegte sich hinter mir. Ich nahm die Hand weg und zwang mich aufzustehen. Ja, dachte ich, während ich noch einen letzten Blick auf den Garten warf, bevor wir zum Wald hinübergingen, einiges von dem, was ich gepflanzt hatte, würde überdauern. So wie die Rosen die jahrelange Vernachlässigung überdauert hatten, aber in Zukunft würde es vor allem wilde Gänseblümchen und Klee geben und die blassen orange Mohnblumen, die sich jeden Frühling selber säten. Es würde ein Garten bleiben, wenn auch nicht meiner.

Achtundzwanzig
    »Valsamis?« Die Stimme von Kip Bryce klang müde durch die Sprechanlage. »Mensch, John, es ist fünf Uhr morgens.«
    Bryce war seit drei Jahren in Beirut. Es waren die drei schlimmsten Jahre gewesen, mit israelischen Phosphorbomben und syrischen Mörsergranaten, den Massakern von Sabra und Schatila. Dennoch konnte er noch immer nicht richtig fluchen.
    Valsamis drückte auf den Sprechknopf. »Wo ist Sproul?«, erkundigte er sich. »Wir wollten zusammen in die Berge fahren.«
    Valsamis war zögernd zum Wagen zurückgekehrt, nachdem er zehn Minuten lang bei Sproul geklingelt hatte. Dann erst war ihm eingefallen, dass Bryce im selben Haus wohnte und vielleicht wusste, wo Sproul steckte. Doch als er nun in der dunklen Eingangshalle stand und auf die knisternde Sprechanlage horchte, kam er sich wie ein Idiot vor.
    »Ich habe ihn gestern Abend mit dieser Irin im Commodore gesehen. Vielleicht sind die beiden zusammen.«
    »Vielleicht bumsen sie gerade«, sagte Valsamis brutal und bereute es sofort. Irgendein Impuls zwang ihn, Bryce zu schockieren.
    Er spielte mit dem Gedanken, nach der Adresse der Irin zu fragen, doch sein Stolz gewann die Oberhand, und er kehrte zum Wagen zurück.
    Es war ein auffallend schöner Morgen, am Horizont verschwammen Himmel und Meer ineinander. Während der Fahrt nach Süden redete er sich ein, dass das, was er getan hatte, eigentlich nichts zu bedeuten hatte.
    Vielleicht würde der Anschlag ja scheitern. Immerhin war die Botschaft amerikanisches Territorium, und jeder wusste, welche Konsequenzen ein solcher Angriff nach sich ziehen würde. Außerdem stammten seine Informationen aus vierter Hand. Derartige Berichte waren nicht weiter

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