Poseidon - Der Tod ist Cool
einfach ab, was passiert.“
Er betätigte eine Stoppuhr und ließ die Zeit verstreichen.
„Nun, die Zeit ist um und wie sie unschwer erkennen können, ist nichts passiert. Ich habe meinen Durst gelöscht. Das war alles. Wenn wir nun aber spezielle Informationen in dieses Wasser mit diesem extra von mir modifizierten Gerät speisen, verhält es sich anders. Es speichert diese und ruft sie bei exakt siebenunddreißig Grad Celsius wieder ab. Wie und warum, bleibt mein
kleines
Geheimnis.“
Er lachte.
Ein guturales und verstörendes Lachen.
„Der menschliche Organismus hat annähernd eine konstante Körpertemperatur von siebenunddreißig Grad. Deshalb habe ich mir auch meine beiden Gäste eingeladen.“
Er machte eine Handbewegung zu den beiden anderen Personen im Raum.
„Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihr Interesse, an diesem Experiment teil zu haben. Nicht jeder bringt ein solches Maß an Verständnis für die Belange der Wissenschaft mit. Meine Hochachtung!“
Er verbeugte sich.
„Aber genug der Worte, der Dankesreden, der Prophezeiungen. Sehet selbst.“
11. Kapitel
Die Seele des Menschen wiegt einundzwanzig Gramm. So glaubte Duncan MacDougall, Arzt aus Haverhill in Massachusetts, anhand seiner
wissenschaftlichen Experimente
herausgefunden zu haben. Die New York Times veröffentlichte dies zumindest am elften März des Jahres Neunzehnhundertsieben. Wie viel wiegt dann ein einzelner Gedanke? Fünf Gramm? Fünfzig Gramm? Ein Kilo? In Frenzels Kopf schwirrten unzählige dieser nicht greifbaren Fetzen menschlichen Geistes umher und er war sich sicher, eine Tonne davon auf dem Hals sitzen zu haben. Er sah sie förmlich, wild durcheinander sprechend, lauthals in Diskussionen verstrickt, wie sie mit Händen und Füssen gestikulierten und seinen Schädel schier zum Platzen brachten. Die seltsam verstümmelten Leichen Michael Kofens und Sabine Trautmanns tanzten im Reigen mit dem Wahnsinn des Kinderschänderfalles. Dazwischen blitzte in unregelmäßigen Abständen Nowotnys Gesundheitszustand auf – Frenzel hatte ihn im Präsidium abgesetzt, sie hatten nach der Tatortbesichtigung nur das Nötigste miteinander besprochen. Diese Unruhe trieb ihn nach Hause, in seine vertraute Umgebung. Normalerweise hätte er seine Trainingstasche geschnappt und wäre in´s Studio gefahren, hätte in den Flammen seiner brennenden Muskeln dieses Chaos verbrannt.
Nicht heute.
Jemand oder irgendetwas hatte den Stöpsel gezogen, den Abfluss geöffnet, durch den seine gesamte Energie hinaus strömte. In diese Leere brüllten seine Gedanken hinein und ergötzten sich an ihrem Echo.
Und dieses nahm ihn mit, katapultierte ihn in seine Kindheit zurück. Frenzel saß auf dem Fußboden, mit dem Rücken an sein Bett gelehnt. Die Klänge von Jimi Hendrix – „If six was nine“ verwebten sich mit seiner Geschichte.
Ja, was wäre, wenn..., if...?
Wieso war bei mir alles anders gewesen, wie bei anderen Kindern? Egal, ob im Kindergarten oder später in der Schule, ich war der Außenseiter, das Sorgenkind.
Asthma bronchiale.
Sie tobten im Sportunterricht. Sie schwammen und tauchten im See. Sie fuhren wild und verwegen die schneebedeckten Hänge hinab. Sie rannten durch die Wälder, spielten Räuber und Gendarm. Veranstalteten Straßen- und Geländerennen mit ihren Fahrrädern.
Sie machten all das, was Jungen in diesem Alter tun.
Anfangs war ich noch dabei, als geduldeter Zuschauer, später stand ich wie ein entzündeter Wurmfortsatz verloren herum, einer, der Probleme machte, weil er nicht funktionierte, wie sie, nicht so funktionieren konnte. Deshalb entfernt gehörte.
Und entsorgt.
Abgesondert.
Sondermüll.
Ein erbärmlicher Schwächling, dünn, zerbrechlich und blass, zu nichts zu gebrauchen,
ein Versager
.
Ich hatte lange um ihre Gunst gebuhlt, mich angebiedert, Ärsche geleckt und Scheiße gefressen.
Umsonst.
„Das sag ich meinem großen Bruder, der kommt dann und verprügelt euch!“ Zu Beginn zog das noch, ein paar Mal, bis sie dahinter kamen, dass ich keinen hatte.
Wie sehr hatte ich mir Einen gewünscht, wünsch ihn mir noch heute.
„Das sag ich alles meinem Vater, der wird’s euch dann schon zeigen!“ Dieses Konstrukt stand auf denselben tönernen Füßen, wie die Brudergeschichte. Fiel beim erstbesten lauen Lüftchen wie ein Kartenhaus in sich zusammen und wurde in alle Himmelsrichtungen geblasen...“...du hast ja keinen, das weiß mittlerweile jeder...alter blöder Angeber...,...Muttersöhnchen, bumst
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