Poseidon - Der Tod ist Cool
schließlich überließ er sich seinem Instinkt. Die Beine übernahmen das Kommando, und er folgte ihnen. Nach zirka zehn Minuten glaubte er, im richtigen Korridor zu sein. Er ging von Tür zu Tür, las die daneben angebrachten Schilder.
Ohne Erfolg.
Hoffentlich arbeitet er überhaupt noch hier. Ich Idiot hätte bis morgen warten und dann fragen können. Ich hatte sowieso Glück, dass der Haupteingang am späten Abend noch geöffnet gewesen war.
Frenzel trat den Rückweg an. Leicht enttäuscht bog er um die Ecke des Gangs ...
...und knallte frontal mit einer anderen Person zusammen.
„ Entschuldi ..., Mensch, wenn das nicht Dr. Reiter ist. Sie habe ich gesucht!“ Frenzel strahlte, während er seine Schiebermütze, die ihm beim Zusammenstoß vom Kopf gefallen war, vom Boden aufhob.
Dr. Reiter betrachtete ihn für wenige Sekunden völlig konsterniert. Seine Leitungen schienen blockiert.
„Vor fünf Jahren, die Sache mit den vergifteten Lebensmitteln! Frenzel. Peter Frenzel.“ Er setzte sein Cappy wieder auf.
„Ah, jetzt,... ich war erst etwas durcheinander, wegen Ihrer Verbrennungen. Die hatten Sie damals noch nicht, oder täusche ich mich etwa?“
Reiters Groschen war gefallen. Er rieb sich am linken Auge, das leicht entzündet wirkte. Frenzel wusste es besser – diesen Tick hatte Reiter früher schon.
„Nein. Gut, dass ich Sie doch noch gefunden habe. Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“
„ Wenn Sie meinen . Gehen wir in mein Büro.“ Reiter lief an Frenzel vorbei in den hinteren Bereich des Hausganges, in die Richtung, aus der Frenzel gerade gekommen war. Nach ein paar Metern blieb Reiter stehen. Er drehte sich um und blickte Frenzel an.
„Jetzt fällt es mir ein! Es stand erst vor wenigen Wochen in der Zeitung. Sie befreiten die Landmann – Schwestern aus den Fängen dieses Irren.“
Reiter kratzte sich am Kopf, den dichte blonde Locken bedeckten.
„Die ganze Hütte brannte. Sie retteten die Mädchen in letzter Sekunde aus dem Inferno. Daher Ihre Narben.“ Reiter nickte Frenzel kurz zu und setzte seinen Weg fort, als hätten sie über das Wetter gesprochen.
Frenzel sagte kein Wort.
Ihm war es nicht möglich, zu sprechen.
Die Bilder gossen ihn in Stahl.
Stießen ihn hinab in das dunkle, klamme Loch, das ihn in seinen Träumen verfolgte.
Ihn verschlang.
Und am Ende der Nacht herauswürgte.
Bis zum nächsten Mal.
„Möchten Sie etwas zu trinken?“
Frenzel hatte nicht bemerkt, dass sie in Reiters Büro angekommen waren - die letzten Meter legte er wie in Trance zurück.
„Äh, ja bitte, ein Glas Wasser, wenn es Ihnen keine Umstände macht.“
„Sonst hätte ich Ihnen wohl nichts angeboten.“
Frenzel hörte nur die Hälfte. Sein kriminalistischer Verstand war vollauf damit beschäftigt, sich an die Oberfläche zurückzukämpfen. Sein Kopf klarte auf. Er beobachtete Reiter, der ein Glas aus einem der Wandschränke herausnahm und es füllte. Seit ihrem letzten Treffen vor fünf Jahren hatte er sich wenig verändert. Er trug sein Haar immer noch schulterlang, was seinem Gesicht mit der Hackennase von seiner Ausgezehrtheit nahm. Die Haut des Dreiundfünfzigjährigen spannte sich über die hervorstehenden Wangenknochen, sie besaß die Farbe und das Aussehen von Pergament. Die grünen klaren Augen mit ihren dichten, verwilderten Augenbrauen standen im krassen Gegensatz zu seinen schlechten Zähnen. Brauner Belag, in den Zwischenräumen an manchen Stellen schwarz, der sich wie ein Pilz über sie gelegt hatte . So akribisch Reiter bei seinen methodischen Untersuchungen arbeitete, so nachlässig handhabte er seine Zahnhygiene.
Frenzel hatte den Eindruck, einem einsneunzig großen Althippie gegenüberzustehen.
Reiter reichte ihm das Glas.
„Was kann ich für Sie tun?“ Das linke Auge zuckte bei jeder Silbe des Satzes und tränte. Reiter fuhr mit dem Handrücken darüber. Das Flackern verschwand.
„Danke. Nun, wie soll ich anfangen?“ Frenzel zögerte, sammelte sich. „Die Sache ist etwas kompliziert.“
„Deshalb sind Sie ja wohl auch zu mir gekommen. Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.“
Frenzel hatte Reiter anders in Erinnerung - freundlicher, ausgeglichener. Nun wirkte er gehetzt, nervös. Ihm blieb nichts weiter übrig, als seine persönlichen Empfindungen dem möglichen Nutzen der Unterhaltung hinten anzustellen .
„Es ist nicht so einfach. Vielleicht halten Sie mich nach der Geschichte für völlig verrückt.“
Reiter gähnte sichtlich
Weitere Kostenlose Bücher