Poseidons Gold
Velia hieß.
Vom Palatin hinter mir bis zum Esquilin vor mir und seitwärts bis zum Oppium und Caelium war der ganze Bezirk durch einen Großbrand zerstört und dann von Nero mit der Scheußlichkeit versehen worden, die er sein Goldenes Haus nannte.
Haus war die falsche Bezeichnung dafür. Was Nero hier geschaffen hatte, war mehr als ein Palast. Wie die prunkvollen Gebäude des Komplexes zwischen den Felsen aufragten, das war architektonisch das reinste Wunderwerk. Und die prächtige, phantasievolle Innenausstattung übertraf alles bisher von Künstlerhand Geschaffene. Mit den Außenanlagen hatte er noch ein Wunder vollbracht. Wenn schon die Architektur frappierte, trotz des Größenwahns, der in ihr zum Ausdruck kam, so war die Landschaft rings um die Hallen und Kolonnaden noch dramatischer, ja, sie suggerierte lebendige Natur innerhalb der Stadtmauern. Gärten, Parks und Wälder erstreckten sich hier, in denen sich zu Neros Zeiten wilde und zahme Tiere tummelten; Blickfang des Ganzen war der berühmte Große See gewesen. Dieses einst ganz private Idyll des Tyrannen hatte Vespasian in einem klugen Schachzug in einen öffentlichen Park verwandelt, zu dem alle Bürger freien Zugang hatten.
Raffiniert, ihr Flavier! Jetzt hatten wir also einen Kaiser, der seine Gottgleichheit distanziert belächelte. Ja, er sprach sogar davon, das Goldene Haus abreißen zu lassen, obgleich er und seine Söhne darin wohnten. Den See dagegen hatte man bereits trockengelegt. Hier lag das lukrativste Bauland von Rom, unmittelbar am Ende des Heiligen Weges und so nah am Forum. Vespasian hatte vor, den Boden des einstigen Sees für Fundamente und Unterbau eines riesigen neuen Amphitheaters zu nutzen, das den Namen seiner Familie tragen sollte.
Das Gelände war der Stolz der Stadt, lange bevor der Kaiser mit seiner goldenen Kelle den ersten Stein ins Erdreich gesenkt hatte. Stadtrundgänge führten unfehlbar hierher, und auch für Römer war dies der ideale Ort, um eine oder auch mehrere Stunden anderen bei der Arbeit zuzusehen. Die Baustelle des Amphitheatrum Flavium war garantiert das größte und prominenteste Loch weit und breit.
Ich hatte es mir zuletzt in Gesellschaft des Centurios Laurentius angesehen. Nachdem der Kellner sich in der Caupona Flora aufgehängt hatte, waren Petronius und ich zu ihm gegangen, und da wir im Hause seiner Schwester, wo ein Haufen Kinder herumlärmte, nicht ungestört reden konnten, waren wir durch Rom geschlendert, bis wir just an dieser Baustelle stehenblieben. Hier hatten wir Laurentius eröffnet, daß Epimandos tot und wir der Meinung waren, er, Epimandos, habe Censorinus umgebracht.
Laurentius war auf diese Nachricht vorbereitet. Nachdem er den entlaufenen Sklaven erkannt hatte, war das Ende der Geschichte keine Überraschung für ihn. Trotzdem hatte uns alle drei der Gedanke an den einsamen verzweifelten Selbstmord des Kellners bedrückt.
Laurentius war ein eher nüchterner Mensch, aber selbst er erging sich jetzt in düsteren philosophischen Betrachtungen.
»Sehen Sie sich nur mal die da an!« hatte er gerufen, als wir an einer Gruppe Kriegsgefangener aus dem Osten vorbeikamen, die, nicht besonders fleißig, beim Ausschachten waren. »Wir Legionäre quälen uns in der glühendheißen Sonne, bis uns das Hirn im Helm brutzelt«, klagte Laurentius bitter, »und dieses Pack da läßt sich seelenruhig gefangennehmen und macht sich’s dann in Rom gemütlich … Was soll das alles?« fragte er aufgebracht. Die immer wieder gleiche Frage.
Dann hatte ich mich nach Festus erkundigt. Laurentius war in Bethel nicht dabeigewesen. »Ich war mit einem Sonderkommando unter Cerialis weiter südlich im Banditenland. Wir säuberten das Gebiet um Jerusalem für die geplante Belagerung, während der Alte persönlich den Angriff gegen die Siedlungen im Gebirge leitete.« Er sprach von Vespasian. »Wieso fragen Sie, Falco? Gibt’s Probleme?«
»Eigentlich nicht.« Eine gewisse Zurückhaltung schien mir angebracht. Wer den Helden einer Schlacht kritisiert, nimmt damit indirekt die Taktik des ganzen Feldzuges aufs Korn, und wenn ich an Festus’ Ruhm kratzte, demütigte ich damit auch die Überlebenden. »Ich bin bloß neugierig, wie’s wirklich gewesen ist.«
»Haben Sie denn keinen Bericht gekriegt?«
»Ach, wer glaubt schon an Kriegsberichte? Schließlich bin ich selbst in der Armee gewesen!«
»Na, und was denken Sie?«
Irgendwie hatte ich ein beschwichtigendes Lachen zustande gebracht. »Nach allem, was
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