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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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ausgelassen hatten: jene Sekretäre, Verwalter, Kammerdiener oder Mundschenke, die nicht von ihren geschniegelten Herren zu unterscheiden waren, wenn man ihnen auf den Straßen Roms begegnete. Diese Zwangsarbeiter waren die wenigen männlichen Überlebenden mehrerer blutiger Massaker an den Juden und handverlesen, damit sie im Triumphzug des Titus einen guten Eindruck machten. Von den Tausenden von Gefangenen waren die meisten in die kaiserliche Provinz Ägypten geschickt worden; diese kahlgeschorenen, reichlich verdreckten und mürrischen Jungs dagegen nahm der Caesar mit nach Rom, wo sie erst dem gaffenden Volk vorgeführt und dann für die Neugestaltung der Stadt nach Vespasians Roma-Resurgans-Konzept eingespannt wurden.
    Sie waren nicht unterernährt, aber mager. Auf einer Baustelle, wo die Arbeit im Morgengrauen beginnt, wird relativ früh Feierabend gemacht. Es war Spätnachmittag, und die Männer saßen schon um die Kohlebecken vor ihren vollbelegten Biwaks. Ihre Gesichter wirkten im Feuerschein hager und dunkel; die fahle Winterdämmerung senkte sich über den Platz. Mir kamen sie fremdländisch vor, aber für sie war vermutlich ich der Exot, ein Vertreter des Menschenschlages mit starkem Bartwuchs, übler Religion, merkwürdigen Eßgewohnheiten und großer Hakennase.
    »Kopf hoch!« ermunterte ich sie. »Ihr seid zwar Sklaven, aber immerhin seid ihr in Rom! Als Bergbauern mag es euch hart ankommen, tagein, tagaus Lehm zu schaufeln, aber wenn ihr diese Plackerei durchsteht und auch die im Steinbruch bis hin zum Aufmauern, dann seid ihr am schönsten Ort der Welt. Wir Römer waren auch mal Bergbauern. Und wißt ihr, warum wir uns jetzt hier zwischen unseren Theatern, Thermen und Arenen drängen? Weil wir drauf gekommen sind, daß so ein Bergbauer ein beschissenes Leben hat. Also: Ihr habt eure Haut gerettet, ihr seid hier – und ihr habt die Chance auf ein besseres Leben.«
    Scherze waren nicht erwünscht, und auch gutgemeinter Stoizismus verfing nicht. Die Jungs waren verzweifelt und träumten von ihren Ziegen.
    Immerhin ließen sie mich quatschen. Einer Sträflingskolonie ist jede Abwechslung recht.
    Von ihrem Vorarbeiter wußte ich, daß diese Männer aus der richtigen Gegend stammten. Ich erklärte ihnen, was ich wissen wollte. »Es geschah etwa um diese Jahreszeit und ist jetzt gut drei Jahre her. Seit Neros Tod im Herbst zuvor ruhten die Kampfhandlungen, und es herrschte geradezu Frieden. Dann kam der Frühling, und Vespasian machte sich daran, die letzten Bastionen eurer Heimat zu erobern. Er wagte sich in die Berge vor – wo ihr herkommt – und besetzte eure Dörfer und Städte.«
    Sie starrten mich an. Sie sagten, sie könnten sich nicht erinnern. Aber sie sagten es wie Männer, die mich so oder so anlügen würden.
    »Was sind Sie von Beruf?« wollten sie wissen. Sogar Kriegsgefangene sind neugierig.
    »Privatermittler. Ich finde wieder, was andere Leute suchen. Verlorene Gegenstände – und verschollene Wahrheiten. Die Mutter dieses Soldaten hat mich beauftragt, herauszufinden, wie ihr Sohn gestorben ist.«
    »Bezahlt die Frau Sie dafür?«
    »Nein.«
    »Warum machen Sie’s dann?«
    »Weil der Tote auch mich angeht.«
    »Wieso?«
    »Ich bin der andere Sohn der Frau.«
    Es war so schön umständlich – wie ein gutes Rätsel. Der leichte Schock entlockte diesen Demoralisierten, die dazu verdammt waren, fremden Lehm aus einer riesigen fremden Baugrube zu schaufeln, ein meckerndes Lachen.
    Ein Gefangener stand auf. Ich hab nie erfahren, wie er hieß. »Ich erinnere mich«, sagte er. Vielleicht war das eine Lüge. Vielleicht hatte er bloß das Gefühl, ich hätte irgendeine Geschichte verdient. »Vespasian legte eine Garnison in jede Stadt. Er besetzte erst Gophna und Acrabata, dann Bethel und Ephraim.«
    »Bist du in Bethel gewesen?« Er beschwor es. Vielleicht log er jetzt, ich wußte es beim besten Willen nicht. »Und war es ein harter Kampf?«
    »Für uns schon – für die Sieger wahrscheinlich nicht.«
    »Habt euch wohl nicht sehr gewehrt?«
    »Kaum. Wir wollten schon Widerstand leisten«, fügte er hinzu. »Erst als wir sahen, wie grimmig die Römer angriffen, haben wir aufgegeben.«
    Offenbar glaubte er, daß ich das hören wollte. »Du bist sehr freundlich«, bedankte ich mich. »Hast du zufällig auch den Centurio gesehen?«
    »Den Centurio?«
    »Na, den Offizier. Kettenhemd, Beinschienen, schnieker Helm mit Federbusch, Rebgerte …«
    »Ach, der Offizier, der den Angriff geführt

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