Poseidons Gold
Herkunft, Cocceius?«
»Leider nichts bekannt. Und von Spekulationen halte ich nichts. Aber der Marmor stammt, wie Sie sehen, ohne Zweifel von Paros.« Ganz offensichtlich handelte es sich hier nicht um eine römische Kalksteinkopie. Selbst feinster Carraramarmor hätte mehr graue Adern gehabt …
»Und warum wird sie verkauft?«
»Tja, die Geschichte klingt überzeugend. Soviel ich weiß, braucht der Senator Geld, um seinem zweiten Sohn einen Senatssitz zu kaufen. Sie können gern bei seinen Nachbarn nachfragen. Der junge Mann ist blitzgescheit, hat sich unverhofft einen Namen gemacht, und da sein Papa Vespasians Vertrauen besitzt, stehen ihm jetzt alle Türen offen. Einziges Problem der Familie ist die Finanzierung. Darum erwartet man nun Gebote für diesen doch recht hübschen Meeresgott, auch wenn die Interessenten sich, was die Zuordnung angeht, auf ihr eigenes Urteil verlassen müssen …«
»Woher kommt die Statue?«
»Keine Ahnung! Der Bruder des edlen Senators war im Importgeschäft. Aber er ist tot, und wir können ihn nicht mehr befragen.«
»Und wo hat dieser Bruder Handel getrieben?«
»Ach, überall. Nordafrika, Griechenland und auch im Osten, glaube ich …«
»Sagten Sie Griechenland?«
»Eine Schulter scheint beschädigt zu sein, minimal nur, aber immerhin …« Cocceius war absolut offen, ein Muster an Neutralität.
»Nicht doch, die Statue ist tadellos. Aber Sie ordnen sie nicht zu?«
»Ganz recht.« Cocceius war wirklich eine ehrliche Haut, eine erfreuliche Ausnahme in seinem Gewerbe.
Es gibt viele Möglichkeiten der Zuordnung – und nicht alle fangen mit einer glatten Lüge an.
Die gut getarnten Sammler gingen heim, um darüber nachzudenken. Als sie das nächste Mal kamen, war der Besitzer offenbar im Begriff, die Statue vom Markt zu nehmen. Erschrocken über diese Kunde, verdrückte sich das vermummte Paar in eine dunkle Ecke und spitzte die Ohren. Vielleicht standen in anderen dunklen Ecken noch andere Leute, aber wenn ja, dann waren sie unsichtbar.
Die vornehme Tochter des Senators erklärte Cocceius gerade, daß ihrem Vater anscheinend Bedenken gekommen seien. »Natürlich brauchen wir das Geld. Aber andererseits ist es so ein herrliches Stück. Wenn die Skulptur einen hohen Preis erzielte, wäre das wunderbar, aber wir sind dennoch versucht, sie zu behalten und uns im eigenen Hause daran zu erfreuen. Ach, Vater weiß einfach nicht, was das beste wäre … Könnten wir vielleicht einen Experten bitten, daß er sich den Poseidon mal anschaut?«
»Aber gewiß.« Cocceius drängte seine Kunden nie gegen ihren Willen zum Verkauf. »Ich kann Ihnen einen Kunsthistoriker empfehlen, der Ihnen ein verbindliches Gutachten erstellt. Wieviel möchten Sie denn ausgeben?«
»Kommt drauf an, was ich dafür kriege«, antwortete die vornehme Helena Justina.
Cocceius war nicht nur ehrlich, er hatte auch Humor. »Nun, für ein kleines Honorar kann ich Ihnen einen Mann besorgen, der die Augen schließt und Ihnen das erstbeste erzählt, was ihm in den Sinn kommt.«
»Vergessen wir das kleine Honorar«, sagte sie.
»Für ein paar Sesterzen mehr bringe ich Ihnen einen richtigen Experten.«
»Klingt schon besser.«
»Und was für einen hätten Sie gern?«
Helena machte ein erstauntes Gesicht – wenn auch nicht so erstaunt, wie sie gewesen wäre, bevor wir uns kennenlernten. »Was steht denn zur Auswahl?«
»Entweder Arion, der Ihnen erzählen wird, die Statue sei echt – oder Pavoninus, der behaupten wird, daß es sich um eine Fälschung handelt.«
»Aber sie haben sie doch noch gar nicht gesehen!«
»Macht nichts – das ist ihre Standardantwort.«
Anscheinend verlor Helena Justina langsam die Geduld. »Wieviel«, fragte sie mit einer Stimme, so strohtrocken wie geröstetes Brot, das man über einem unerwarteten Besuch vergißt, bis es aus der Küche qualmt, »wieviel müßten wir für den allerbesten Gutachter zahlen?« Cocceius sagte es ihr. Helena sog hörbar die Luft ein. »Und was bekäme man für diese astronomische Summe?«
Cocceius druckste herum. »Sie bekämen einen Mann in etwas absonderlicher Tunika, der die Skulptur sehr lange und eingehend betrachtet, nachdenklich einen Kräutertee schlürft und Ihnen dann beide möglichen Urteile präsentiert mit dem Eingeständnis, daß er beim besten Willen nicht definitiv sagen kann, welches stimmt.«
»Ah, verstehe!« rief Helena, die sich vor Lachen kaum halten konnte. »Er ist der wirklich schlaue Fuchs!«
»Wieso das?«
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