Poseidons Gold
Namen machte und Aufstiegschancen hatte. Dem armen Decimus graute vor den Kosten.
»Sie sollten stolz auf ihn sein, Senator.«
»Oh, das bin ich auch!« sagte er düster.
Ich griff nach einem Schaber und kratzte ihm das Öl vom Buckel. »Haben Sie sonst noch was auf dem Herzen?« Ich wollte wissen, ob sich an der Titus-Front inzwischen was gerührt hatte.
»Ach, nur das Übliche: Ich mache mir Sorgen um die Jugend von heute, die Wirtschaftslage, den Sittenverfall, die Schrecken der staatlichen Arbeitsprogramme …«, sagte er mit leiser Selbstironie. Aber dann setzte er hinzu: »Ich habe Schwierigkeiten mit dem Nachlaß meines Bruders.« Das war es also.
Ich war nicht der einzige Römer, den seine Geschwister in Verlegenheit brachten. Camillus hatte einen – inzwischen in Ungnade gefallenen – Bruder gehabt, dessen politische Intrigen einst die ganze Familie in Mißkredit brachten. Darum stand das Haus nebenan immer noch leer, und offenbar sah Decimus deshalb so angegriffen aus. Ich wußte, daß sein Bruder tot war – aber ich wußte auch, daß bestimmte Dinge nicht mit dem Tod enden.
»Haben Sie sich an den Auktionator gewandt, den ich Ihnen empfohlen hatte?«
»Ja. Und Geminus ist mir eine große Hilfe.« Das hieß, er fragte nicht viel nach Erbscheinen und Herkunft der zu versteigernden Güter.
»Oh, er ist ein guter Auktionator«, bestätigte ich trocken. Geminus war mein durch Abwesenheit glänzender Erzeuger. Abgesehen von seiner Angewohnheit, mit Rothaarigen durchzubrennen, konnte er als untadeliger Bürger durchgehen.
Der Senator lächelte. »Ja, ja. Scheint’s hat die ganze Familie einen Blick für Qualität!« Das war ein kleiner Seitenhieb gegen mich. Aber immerhin schüttelte er seine gedrückte Stimmung langsam ab. »Nun aber genug von meinen Sorgen. Wie geht’s dir, mein Junge? Und wie geht es Helena?«
»Ich lebe noch. Mehr kann man nicht verlangen. Und Helena ist ganz sie selbst.«
»Aha!«
»Ich fürchte allerdings, daß ich sie aufsässig und mit unflätigen Reden auf den Lippen zurückgebracht habe. Das paßt wohl kaum zu der anständigen Erziehung, die Sie und Julia Justa ihr haben angedeihen lassen.«
»Darüber war Helena immer schon erhaben.«
Ich grinste. Helenas Vater liebte kleine Scherze.
Von Frauen erwartet man, daß sie sich gesittet benehmen. In ihren eigenen vier Wänden können sie ränkeschmiedende Tyranninnen sein, solange nur nach außen hin der gute alte römische Mythos von der weiblichen Demut gewahrt bleibt. Das Problem mit Helena Justina war, daß sie keine Kompromisse machte. Sie sagte ihre Meinung und tat, was ihr gefiel. Ein derart perverses Verhalten macht es einem Mann, der dazu erzogen wurde, beim anderen Geschlecht Wankelmut und Betrug zu erwarten, verdammt schwer, rauszukriegen, woran er ist.
Mir gefiel das. Ich hab’s gern, wenn man mich auf Trab hält. Ich lasse mich auch gern alle naselang schockieren und überraschen, obwohl das natürlich anstrengend ist.
Ihr Vater, der ja keine andere Wahl gehabt hatte, schien sich oft darüber zu wundern, daß ich sie aus freien Stücken gewollt hatte. Und er genoß es, zur Abwechslung mal ein anderes Opfer in ihren Fängen zappeln zu sehen.
Als wir zum Essen gingen, empfing uns Helena in fließenden schneeweißen Gewändern mit goldenen Säumen; sie duftete nach kostbaren Ölen und war mit Halsketten und Armbändern geschmückt. Die Zofen ihrer Mutter hatten sich wieder einmal verschworen, ihre junge Herrin so herauszuputzen, als stünde sie gleich zwei Klassen über mir – was stimmte – und wäre zwanzigmal soviel wert wie ich.
Im ersten Moment war mir zumute, als wäre ich über meine Schnürsenkel gestolpert und der Länge nach auf das Fußbodenmosaik gefallen. Aber dann sah ich, daß eines ihrer Halsbänder eine Bernsteinkette von der Ostsee war, die ihre Mutter noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Und als die edle Julia im Laufe ihrer mit Sticheleien gewürzten Konversation danach fragte, da verkündete Helena Justina in der ihr eigenen Direktheit: »Die hat mir Marcus zum Geburtstag geschenkt.«
Ich legte Helenas Mutter mit unerschütterlicher Galanterie die köstlichsten Appetithäppchen vor. Julia Justina empfing meine Artigkeiten mit einer Höflichkeit, die sie gewetzt hatte wie ein Schälmesser. »Demnach ist also bei Ihrer Reise an den Rhein doch was Gutes rausgekommen, Marcus Didius?«
Helena ergriff ruhig meine Partei. »Du meinst, noch etwas Gutes, nicht wahr, Mutter? Abgesehen
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