Poseidons Gold
Bruder hätte ich mich über diesen Aufmarsch ehemaliger Freier am Grab bestimmt schrecklich geärgert.
»Sogar dein Freund Petronius war da!« Das schien selbst Mico zu wundern. Ich beneidete ihn um seine Naivität. »So ein feiner Mensch. Und wie freundlich von ihm, dich zu vertreten …«
»Jetzt mach aber mal ’n Punkt, Mico! Petronius Longus ist drauf und dran, mich ins Gefängnis zu stecken.« Mico machte ein so besorgtes Gesicht, daß meine eigenen Ängste wegen meiner Zwangslage gleich noch größer wurden. Um mich wieder zu fangen, wechselte ich rasch das Thema. »Wie kommst du denn nun zurecht?« Micos jähzorniges Baby bearbeitete gerade meine linke Niere mit seinen erstaunlich kräftigen Füßchen. »Brauchst du irgendwas, Schwager?« In Micos Haushalt ging es so drunter und drüber, daß er mir die Frage zum Glück nicht beantworten konnte. »Ich hab den Kindern Neujahrsgeschenke aus Germanien mitgebracht. Sie sind leider noch nicht ausgepackt, aber ich bring sie sobald wie möglich vorbei. Weißt du, bei mir ist eingebrochen worden, und …«
Mico zeigte aufrichtiges Interesse. »Ja, ja, ich hab schon davon gehört!« Großartig. Anscheinend wußten alle, was passiert war, aber niemand hatte versucht, etwas dagegen zu unternehmen. »Kann ich dir vielleicht beim Aufräumen helfen?« Nein danke, doch nicht er mit seinen zwei linken Händen! Schließlich wollte ich, daß mein altes Domizil wieder bewohnbar wurde, und zwar möglichst schon nächste Woche und nicht erst zu den nächsten Saturnalien.
»Danke, aber du hast wirklich genug um die Ohren. Laß doch deine Mutter die Kinder hüten, und geh mal ein bißchen raus. Du brauchst Gesellschaft, Mico – und vor allem brauchst du Arbeit !«
»Ach, es wird sich schon was finden.« Er war wirklich ein Ausbund an ungerechtfertigtem Optimismus.
Ich blickte mich in dem schmuddeligen Zimmer um. Man merkte eigentlich gar nicht, daß Victorina nicht mehr da war. Das überraschte mich allerdings wenig. Meine Schwester war ja auch zu Lebzeiten dauernd außer Haus gewesen und hatte sich anderswo amüsiert.
»Dir fehlt sie auch, das sehe ich dir an«, sagte Mico leise.
Ich seufzte. Immerhin schien der Versuch, mich zu trösten, ihn aufzuheitern.
Da ich schon mal da war, wollte ich auch ein paar Fragen stellen. »Hör zu, Schwager, ich weiß, jetzt ist eigentlich nicht der richtige Augenblick, aber ich stelle in Mutters Auftrag gewisse Nachforschungen an, und da muß ich leider die ganze Familie fragen. Hat Festus dir mal von einem Geschäft mit griechischen Statuen erzählt? Oder vielleicht von einer Schiffsladung aus Caesarea gesprochen?«
Mico schüttelte den Kopf. »Nein! Festus hat nie mit mir gesprochen.« Ich wußte, warum. Mein Bruder hätte eher einem halbnackten und halb nüchternen Schankmädchen seine Philosophie vom Leben als einem Haufen durcheinanderschwirrender Atome erklären können, als sich mit Mico über die simpelsten Alltäglichkeiten zu verständigen. »Trotzdem war er immer ein guter Freund«, beteuerte mein Schwager jetzt, wie um einen möglichen falschen Eindruck zu korrigieren. Und mit dieser Behauptung lag er nicht einmal falsch. Bei Festus konnte man sicher sein, daß er stets ein paar Brotkrumen für einen aus dem Nest gefallenen Vogel oder ein gutes Wort für einen dreibeinigen Köter übrig hatte.
»Ich wollte dich bloß mal fragen, weil ich nämlich rausfinden muß, was für einen Handel Festus bei seinem letzten Urlaub in Rom eingefädelt hat.«
»Da kann ich dir leider nicht weiterhelfen, Marcus. Wir haben ein paar Becher Wein zusammen getrunken, und Festus hat mir ein, zwei Aufträge besorgt, aber das war auch alles.«
»Und was waren das für Aufträge?« Die letzte schwache Hoffnung.
»Ganz normale Sachen. Mauerwerk verputzen …« Mein Interesse erlosch. Aber Mico hatte noch einen freundschaftlichen Tip für mich: »Wahrscheinlich weiß Marina über Festus’ Geschäfte Bescheid. Die solltest du mal fragen.«
Ich bedankte mich so würdig, als wäre mir nie der Gedanke gekommen, mit der Freundin meines Bruders über ihn und seine Pläne zu sprechen.
XIV
Wenn ich den Mord an dem Soldaten je aufklären wollte, mußte ich die Sache direkter angehen. Petronius Longus hatte mir zwar den Zutritt zum Flora so gut wie verboten, doch ich hatte nicht vor, ihm zu gehorchen. Es war Mittagszeit, also schlug ich den kürzesten Weg zur Caupona ein.
Das war taktisch falsch, und ich mußte leider am Flora vorbeigehen: Einer von
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