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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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vergessen.
    Das letzte, was ich gerade gebrauchen konnte (besonders jetzt, da ich mit Helena bei meiner Mutter wohnte), war, daß die alte Geschichte wieder aufs Tapet kam. Helena Justina hatte sehr strenge Moralbegriffe, und so was wie ein Techtelmechtel zwischen mir und der Freundin meines Bruders würde sie in hundert Jahren nicht verstehen.
    Wie ich meine Familie kannte, bekam Helena vermutlich den ganzen Skandal just in dem Moment in allen Einzelheiten erzählt, während ich niedergeschlagen bei meiner Schwester hockte und ihn aus meinen Gedanken zu verdrängen suchte.

XIII
    Maia wohnte auch auf dem Aventin, keine zwei Straßen von Mama entfernt. Und noch mehr Verwandte, die ich unbedingt besuchen mußte, waren ganz in der Nähe daheim, nämlich die Familie meiner verstorbenen Schwester Victorina. Bei meinen Nachforschungen würde mir das zwar kaum weiterhelfen, aber als inoffizielles Oberhaupt der Familie war es meine Pflicht, ihnen meine Aufwartung zu machen. Und weil eine Mordanklage über mir schwebte, ging ich lieber gleich hin, für den Fall, daß man mich demnächst der Chance berauben würde. Schließlich konnte ich ja theoretisch demnächst verhaftet werden.
    Victorina und ihr Brechmittel von Ehemann hatten sich ihr Nest neben dem Tempel der Diana gebaut. Anscheinend war Victorina nie auf die Idee gekommen, daß es vielleicht unpassend war, wenn sie mit ihrer Vergangenheit unzähliger schlüpfriger Rendezvous hinterm Isis-Tempel danach so dicht neben jener keuschen Jagdgöttin lebte.
    Auf den ersten Blick war Victorinas und Micos Domizil ein Gebäude in erstklassiger Lage, ansonsten freilich hatte es wenig zu bieten. Die Familie bewohnte zwei Zimmer in einem Hinterhaus, das bei näherem Hinsehen ein wahrer Karnickelbau schäbiger kleiner Appartements war. Im Vorderhaus war eine große Kupferhandlung untergebracht, und das ständige Gehämmere auf Metall hatte die ganze Familie leicht taub werden lassen. Ihre kleine Mietwohnung hatte schiefe Fußböden, viel zu dünne Wände, undichte Decken und stank penetrant nach Urin, weil der Hausbesitzer den großen Pißkübel im Treppenhaus immer zu leeren vergaß. Zum Glück war das stinkende Gefäß wenigstens leck, so daß es immer wieder Platz zum Nachfüllen gab. Die Wohnungen im Hinterhaus bekamen so gut wie kein Tageslicht, was freilich auch sein Gutes hatte, denn wenn die Mieter ihre vier Wände deutlich hätten sehen können, wäre die Schlange der Selbstmörder am Pons Probus zweifellos gewachsen.
    Es war eine ganze Weile her, seit ich die Familie meiner Schwester das letzte Mal hatte besuchen müssen, und so fand ich nicht gleich die richtige Wohnung. Wegen des lecken Kübels bewegte ich mich im Treppenhaus mit größter Vorsicht und irrte mich ein paarmal in der Tür, bevor ich an die richtige klopfte. Hastig floh ich vor den Flüchen und zweideutigen Anträgen der Nachbarn, schlüpfte durch die Reste einer grob gewebten Portiere und war endlich am Ziel. Ein größerer Kontrast war kaum vorstellbar als der zwischen der blitzsauberen Behausung, in der Maia ihre Kinder großzog, und diesem feuchten Loch, in dem diese nutzlose Familie in Kohldünsten und dem Mief nasser Kinderwindeln dahinvegetierte.
    Mico war daheim. Notgedrungen, denn er hatte wieder mal keine Arbeit. Als Stuckateur war mein Schwager eine Niete, und seine Gilde warf ihn nur aus Mitleid nicht hinaus. Aber selbst wenn die Bauunternehmer händeringend Arbeitskräfte suchten, war Mico der letzte, den sie einstellten.
    Als ich hineinkam, versuchte er gerade, seiner Zweitjüngsten den Honig vom Kinn zu wischen. Seine älteste Tochter Augustinilla (um die Helena und ich uns in Germanien gekümmert hatten) funkelte mich so böse an, als wäre ich schuld am Tod ihrer armen Mutter, und stolzierte grußlos aus der Wohnung. Der Sechsjährige drosch mit einer kleinen Tonziege auf sein vierjähriges Brüderchen ein. Ich wollte das Baby von einem schmutzstarrenden Teppich klauben, aber der Kleine war ein ungeselliger Wicht, der sich wie ein Kätzchen, das die Krallen ausfährt, an seine zottelige Unterlage klammerte. Als ich ihn endlich doch auf dem Arm hatte, machte er ein Bäuerchen mit Begleitung. Typisch Kind: sich mit Vorliebe genau in dem Moment zu erleichtern, da ein Gast einen anständigen Mantel zur Verfügung stellt, auf den man spucken kann.
    In einer Ecke hockte ein schlampiger Fettkloß, notdürftig von unappetitlichen Lumpen umhüllt, und empfing mich mit freundlich meckerndem

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