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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schlechte Nerven hatte, habe ich wohl schon erwähnt – deshalb hielt ich ihn ja für einen entlaufenen Sklaven.
    »Ich kann nicht!« flüsterte er endlich verzweifelt. »Die haben die Tür mit einem Seil zugebunden. Bis vor zehn Minuten war noch eine Wache davor …« Er schien krampfhaft nach Ausflüchten zu suchen.
    »Beim Herkules! Soll das heißen, daß die Leiche noch in eurem Taubenschlag ist?« Ausdrucksvoll schlug ich die Augen zur Decke. »Wie unangenehm! Wenn das Blut erst durch die Decke tropft, werden euch die Gäste fortlaufen.« Der Kellner schaute immer unbehaglicher. »Warum ist der Tote nicht längst abtransportiert worden?«
    »Weil er Soldat war«, krächzte Epimandos. »Petronius Longus sagt, da muß erst die Armee verständigt werden.«
    Das war blanker Unsinn und paßte überhaupt nicht zu meinem respektlosen Freund Petro, der sich sonst ohne Zögern über umständliche Formalitäten hinwegsetzte. Ich runzelte die Stirn. Konnte es sein, daß Petronius die Order zum Abtransport der Leiche absichtlich zurückgehalten hatte, damit ich doch noch einen kurzen Blick darauf werfen konnte?
    »Habt ihr heute abend Austern?« erkundigte ich mich bei Epimandos.
    »Nein.«
    »Schön, ich nehme ein Dutzend.«
    Da ich aufgehört hatte, von Leichen zu sprechen, gewann Epimandos langsam seine Fassung wieder. »Aber Falco, bei uns gibt’s doch niemals Austern.« Er war es gewohnt, mit Leuten umzugehen, die taub oder betrunken waren oder auch beides gleichzeitig. »Austern gibt’s drüben bei Valerius.« Das war der Wirt der Caupona von gegenüber, einem sauberen und adretten Lokal, das aber immer leer war. Aus unerfindlichen Gründen hatten sich die Leute aus dem Viertel entschieden, Valerius genauso standhaft zu boykottieren, wie sie dem Flora die Treue hielten, obwohl man im Flora kräftig übers Ohr gehauen wurde und sich obendrein meistens Magenschmerzen holte.
    »Ich hab keine Lust, das Lokal zu wechseln, Epimandos, also sei so gut und hol mir welche, ja? Bring gleich zwei Dutzend.«
    Ob er die List durchschaute, weiß ich nicht. Jedenfalls ließ Epimandos sich überreden und zockelte über die Straße. Hoffentlich war er so gescheit, bei Valerius einen ausgiebigen Schwatz mit seinem Kollegen zu halten!
    Kaum war Epimandos außer Sicht, da sauste ich wie der Blitz durch die Küche und die Hintertreppe hinauf. Ich wußte, wo die Zimmer lagen, denn wenn Mamas Verwandte aus der Campania in Rom einfielen, brachten wir sie manchmal hier unter. Das Flora hatte insgesamt drei Gästezimmer – zwei winzige Kabuffs über der Küche und einen etwas größeren Raum über dem Lokal. Censorinus hatte im großen Zimmer geschlafen, denn diese Tür war zugebunden.
    Petronius hatte mir mein Messer nach gründlicher Prüfung zurückgegeben; jetzt wollte ich die Taue, die kreuzweise zwischen zwei großen Nägeln gespannt waren, damit durchschneiden, doch zum Glück sah ich gerade noch rechtzeitig, wie schlampig Petros Männer gearbeitet hatten. Auf den ersten Blick wirkte das schwere, mehrfach geschlagene Hanfseil zwar imposant und abschreckend, aber der zierlichste Pantomimendarsteller hätte sich trotz dieser Absperrung Zutritt verschaffen können, ohne daß ihm auch nur ein Fingernagel abgebrochen wäre. Es gelang mir, einen Knoten so abzuziehen, daß das Seil unversehrt blieb. Wenn ich schnell genug war, würde niemand merken, daß ich heimlich am Tatort gewesen war.
    Ohne lange darüber zu rätseln, was die Soldaten sich wohl bei dieser jämmerlichen Absperrung gedacht hatten, öffnete ich vorsichtig die Tür zu dem Zimmer, in dem Censorinus ermordet worden war.

XVI
    Verlangen Sie jetzt bloß keine Beschreibung.
    Man ist ja nie vorbereitet auf das, was kommt. Manchmal – in den wenigen Glücksfällen – finden sich kaum Anzeichen dafür, daß ein Gewaltverbrechen begangen wurde. Gelegentlich sind die Spuren so minimal, daß Straftaten überhaupt nicht entdeckt werden. In anderen Fällen ist die Brutalität so entsetzlich offensichtlich, daß man fassungslos zurücktaumelt und einfach nicht begreift, wie ein Mensch einen anderen so grausam zurichten kann. Hier hatte ich es mit letzterem zu tun.
    Dieser Mord war augenscheinlich in einem Blutrausch begangen worden, auf dessen Ausmaß auch Petros Warnung mich nicht vorbereitet hatte. Petronius war offenbar ein Freund griechischer Untertreibung.
    Er hatte davon gesprochen, daß hier Schurken am Werk gewesen waren, die vielleicht ein Zeichen setzen wollten, und

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