Post Mortem
ist ein hohes Lob aus dem Mund meines Sohnes. Ich wäre fast Psychologe geworden. Zu wenig Geld und zu viele familiäre Verpflichtungen standen im Weg. Also haben die Cops endlich beschlossen, sich diesen kleinen Psychopathen genauer anzusehen. Was hat er denn jetzt angestellt?«
»Mehrere Leute umgebracht«, antwortete ich.
»Oh, welch ein Schock«, sagte Herbert Stark. »So läuft es immer, nicht wahr? Ich habe gerade ein Buch über Serienkiller zu Ende gelesen - keinen billigen Schund, ein professionelles Lehrbuch von einem früheren Ermittler, der rausgeschmissen worden ist, weil er kein Blatt vor den Mund nahm. Seine These lautet, dass in fünfundneunzig Prozent der Fälle der Schuldige zu einem frühen Zeitpunkt der Ermittlungen vernommen wird und die Polizei einen Namen direkt vor ihrer Nase hat. Halten Sie das für möglich?«
»Könnte sein.«
»Ich glaube es. Byron sagte, Sie hielten nicht viel vom Erstellen von Profilen.«
»Das ist richtig.«
»Macht man Ihnen deswegen Schwierigkeiten im Department?«
»Überhaupt nicht.«
Stark schnaubte. »Was könnte ich Ihnen denn Ihrer Ansicht nach erzählen, was ich nicht schon den Einsteins in Blau zu erzählen versucht habe?«
Ich wollte ihn bitten, mit mir alles noch einmal durchzugehen, aber das hätte eine Tirade provoziert. »Als Sie zu der Ansicht gelangten, dass diese beiden jungen Frauen ermordet worden waren, haben Sie da Ihren Verdacht irgend-jemandem sonst mitgeteilt, von der Polizei und Ihrer Frau abgesehen?«
»Natürlich habe ich das«, sagte Stark. »Als die Cops die Hände in den Schoß legten, erzählte ich es ein paar Leuten in der Nachbarschaft. Ich nahm an, wenn ich genug Leute mobilisierte, wären wir vielleicht in der Lage, irgendwelche Schritte zu unternehmen.«
»Wie vielen Leuten haben Sie es erzählt?«
»Erwarten Sie nach all diesen Jahren eine konkrete Zahl? Ich habe mich auf Menschen beschränkt, bei denen ich ein gutes Gefühl hatte. Spielte keine Rolle, es war allen egal.«
»War einer der Menschen eine Frau namens Patricia Bigelow?«
»Ja«, sagte er. »Sie war die Erste.«
»Warum?«
»Zum einen, weil ich sie kannte. Zum anderen, weil ich ihr traute. Kurz nachdem sie einzog, stürzte mein jüngerer Sohn Galen mit dem Skateboard, und wir machten uns Sorgen, dass er sich das Bein gebrochen hätte. Aber er hatte eine Klassenarbeit, auf die er sich vorbereiten musste, und wir wollten uns den Ärger mit der Unfallambulanz nur machen, wenn es wirklich gebrochen war. Meine Frau hatte ein paarmal mit Patty gesprochen und wusste, dass sie eine Krankenschwester war, also ging sie um die Ecke und bat sie, sich Galens Bein anzusehen. Patty kam vorbei, untersuchte es und sagte, sie sei keine Ärztin, aber es wäre eine Verstauchung. Sie kühlte das Bein und legte einen Verband an, und als wir mit Galen am nächsten Tag zum Kinderarzt gingen, sagte er, sie hätte alles genau richtig gemacht. Ich habe ihr auch von den Mädchen erzählt, weil sie selbst eine Tochter hatte - ein Kind von neun oder zehn Jahren. Meiner Ansicht nach hatte ich die Pflicht, ihr mitzuteilen, dass der Spross ihrer Vermieterin eine Gefahr darstellte. Warum fragen Sie nach ihr?«
»Sie ist vor kurzem eines natürlichen Todes gestorben und hat kurz vorher auf einige schreckliche Dinge angespielt, die geschehen seien, während sie an der Fourth Street wohnte. Das ist der Grund für die derzeitige Ermittlung.«
»Sie hat mir geglaubt«, sagte Herbert Stark. »Mein Gott… aus ihrer Reaktion war das nicht zu schließen.«
»Was hat sie gesagt?«
»Nichts, darum geht es ja gerade. Sie nickte und dankte mir dafür, dass ich ihr Bescheid gesagt hätte, und fragte mich, wie es Galen ging, und dann schickte sie mich fort. Ich hielt sie für undankbar und ein bisschen unhöflich. Ich versuchte ja nur, ihr behilflich zu sein. Aber sie ist kurz danach ausgezogen.«
»Hat sie je gesagt, warum sie wegzog?«
»Wir haben danach nicht mehr miteinander gesprochen.«
»Hat Ihre Frau mit ihr gesprochen?«
»Das bezweifle ich, und wir können sie nicht fragen, weil sie nicht hier ist, sondern in Seattle, auf einer Art Strickkongress.«
»Als Sie Patty warnten, haben Sie da sowohl Pete Whitbread als auch Roger Bandini namentlich erwähnt?«
»Natürlich, es bestand kein Zweifel, wer den Lieferwagen beladen hatte. Haben Sie die Leichen gefunden?«
»Noch nicht.«
»Wie groß sind die Chancen?«, sagte Stark. »Nach all diesen Jahren. Woran niemand die Schuld trägt
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